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„Und auf der Goldhochzeit tanzt er mit mir“

Ein Leben ohne Enkel konnte sich Renate Hufenbach nicht vorstellen. Also suchte sie nach Möglichkeiten und fand sie: Seit fast zwei Jahrzehnten ist sie mit Freude „Leih-Oma“ in der Freiwilligenzentrale der Diakonie in Plettenberg

Die Fotos von früher haben sie sich lange nicht angesehen. Mit den leckeren Mini-Kuchen, die Oma Renate gebacken hat, und einer warmen Tasse Tee lässt es sich für Alexander am Küchentisch ganz gut aushalten. Und als Opa Dieter das Bild vom Urlaub am Meer findet, wo „die Männer“ Seite an Seite an den Strand ziehen, lachen alle. Ein gutes Team waren sie irgendwie schon immer.
Was die gemütliche Familienszene in der Plettenberger Küche des gepflegten Einfamilienhauses in ruhiger Wohngegend anders macht: Renate und Dieter Hufenbach sind nicht mit Alexander verwandt. Trotzdem sind die Hufenbachs für den mittlerweile 19-Jährigen ganz klar seine Oma und sein Opa, und er gehört für sie mit zur Familie.

Begonnen hat alles vor Alexanders Geburt

Begonnen hat alles kurz vor der Geburt von Alexander Pingel. Seine Großeltern waren früh verstorben, und die Mutter Britta alleinstehend. Durch eine Anzeige in der Zeitung wurde sie auf den damaligen Oma-Hilfsdienst des Diakonischen Werkes aufmerksam. Und, weniger, weil sie eine Betreuung brauchte, sondern vielmehr, weil sie ihrem Sohn das „Oma-Gefühl“ nicht vorenthalten wollte, meldete sie sich dort.
Renate Hufenbach war damals 51 und Hausfrau. Ihr Mann Dieter stand voll im Berufsleben. Nachkommen der zweiten Generation ihrer Familie waren nicht in Sicht und so beschloss sie eines Tages kurzerhand, sich beim Oma-Hilfsdienst „mal zu informieren“.
„Ich dachte, ohne Enkel, das geht für mich nicht“, erinnert sich Renate Hufenbach. „Ich habe zuerst mal gefragt, ob man mit 51 denn schon Leih-Oma sein kann.“ Als Heike Schaefer von der Freiwilligenzentrale des Diakonischen Werkes keine Einwände hatte, sondern sich vielmehr über die Mobilität der jungen „Leih-Oma“ freute, lernte diese ihren „Leih-Enkel“ und dessen Mutter schließlich kennen.
„Er hat sich in mich verliebt und ich mich in ihn“, erinnert sich die agile Seniorin. Es sei Liebe auf den ersten Blick gewesen. Bald schon verbrachte man viel Zeit miteinander. Nach kurzer Zeit habe man das erste Weihnachtsfest gemeinsam gefeiert. Was folgte, waren die Jahre, in die Hufenbachs „ihren“ Enkel Alexander begleiteten, fast genauso, wie es andere Großeltern auch tun. Bei Oma und Opa hat Alexander Fahrrad fahren gelernt, sie waren bei der Einschulung und Taufe mit dabei, haben ihn mit in den Urlaub genommen, und als der Junge im Verein kickte, standen sie ihm an so manchem Sonntagmorgen auf dem Fußballplatz bei.
Bis heute ist der Kontakt nicht abgerissen und „das bleibt auch so“, ist Oma Renate sicher: „Und auf der Goldhochzeit tanzt er mit mir!“
Was 1994 der Oma-Hilfsdienst war, nennt sich heute im Diakonischen Werk des Evangelischen Kirchenkreises Lüdenscheid-Plettenberg „Generationen Miteinander“. In Attendorn wird mit der Caritas kooperiert, dort nennt es sich „Generationen Hand in Hand“. Beide Projekte umfassen weitaus mehr, als das Vermitteln von „Leih-Omas“ oder Patinnen.

Auch Leih-Patenschaften oder -Geschwister gibt es

Es geht vorrangig darum, einem Kind Zeit zu schenken, erläutert Heike Schaefer. Das sei einmal in der Woche, oder für einen anderen vereinbarten Zeitraum möglich. Und nicht nur Leih-Großeltern, sondern auch „Großer Bruder“- oder „Große Schwester“-Varianten sind denkbar. Auch stundenweise könnten sich Ehrenamtliche einbringen.
Aktuell gibt es in Plettenberg zehn und in Attendorn 19 laufende Patenschaften. Wer sich als ehrenamtlicher Pate für ein Kind anbieten möchte, der kann sich bei der Freiwilligenzentrale des Diakonischen Werkes unter der Telefonnummer (0 23 91) 95 40 29 melden. Nach einem ersten Gespräch wird der potenzielle Pate, der heute auch ein polizeiliches Führungszeugnis benötigt, schließlich zu einem der monatlichen Gruppentreffen mit anderen Paten und Patinnen eingeladen und kann sich dort einen Eindruck von der Praxis verschaffen.
Wenn dann ein entsprechendes Patenkind gefunden ist, das passen könnte, wird ein erstes Treffen vereinbart. Dann startet die Patenschaft für einige Wochen als Test. Danach sieht man weiter.
Heike Schaefer: „Es geht um Beziehungen und auch um Verantwortung.“ Viele dieser Beziehungen hätten eine lange Laufzeit, und die meisten, die sich als ehrenamtliche Paten engagieren, würden sagen „Das hat mir wirklich etwas gebracht.“
Für Renate Hufenbach und ihren Mann Dieter ist das so. Früher begleiteten sie Alexander auf seinen ersten Schritten ins Leben und halfen ihm auf seinem Weg, so gut sie konnten. Wenn heute mal technische Fragen in Sachen Computer oder Handy sind, ruft Oma einfach ihren Enkel zu Hilfe. Und das Zimmer in ihrem Haus, in dem er schon so viele Stunden verbrachte, sieht noch genauso aus, wie sie es für ihn hergerichtet haben.