Artikel teilen:

UN-Menschenrechtskommissar spricht von “Gemetzel” in Gaza

Von 20 Bewohnern im Gazastreifen ist inzwischen einer tot oder verwundet – so die Bilanz von UN-Vertreter Volker Türk. Seine Mahnung: dass Israelis wie Palästinenser endlich “die Menschlichkeit des anderen sehen”.

Vor dem in Genf tagenden UN-Menschenrechtsrat hat der Hohe Kommissar für Menschenrechte, Volker Türk, erneut weitreichende Völkerrechtsverletzungen im Gaza-Krieg angeprangert. Seit Anfang Oktober seien mehr als 100.000 Menschen getötet oder verwundet worden: etwa jede 20. Person – Kinder, Frauen und Männer – in der palästinensischen Enklave sei tot oder verletzt. “Das ist ein Gemetzel”, sagte Türk am Donnerstag.

Der UN-Vertreter verlangte einen sofortigen Waffenstillstand und die Freilassung der Hamas-Geiseln. Alle beteiligten Seiten müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Die Palästinenser und ihre Rechte auszusperren, habe “in den vergangenen 56 Jahren nicht funktioniert und kann niemals funktionieren”, mahnte Türk. “Die zentrale Herausforderung bei der Schaffung von Frieden liegt darin, dass alle die Menschlichkeit des anderen sehen und voll anerkennen.” Es gelte auf beiden Seiten, ein Denken zu überwinden, das sich “durch Generationen von Leid und Wut tief eingegraben” habe.

Der Menschenrechtskommissar nannte die Angriffe der Terrormiliz Hamas auf israelische Zivilisten am 7. und 8. Oktober schockierend und durch nichts zu rechtfertigen. Die Ermordungen, Berichte über Folter und sexuelle Gewalt durch palästinensische Milizen sowie die Geiselnahme seien erschütternd und verfehlt. “Das Gleiche gilt für die Brutalität der israelischen Reaktion”, ergänzte Türk unter Verweis auf die zivilen Opfer im Gazastreifen und die katastrophale humanitäre Lage. Mindestens drei Viertel der Bevölkerung seien vertrieben, der Gazastreifen durch teils systematische Zerstörung weitgehend unbewohnbar.

“Der Krieg in Gaza muss beendet werden”, verlangte Türk. Allen Parteien warf er Verstöße gegen internationale Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht vor, darunter Kriegsverbrechen. Dem israelischen Staat machte der UN-Vertreter Vorhaltungen wegen einer “endlosen Demütigung und Unterdrückung” der Palästinenser in 56 Jahren Besatzung. Die Staatengemeinschaft rief er auf, Waffen- und Munitionslieferungen an Israel sofort zu unterbinden. Es bestehe die Gefahr, dass das Material völkerrechtswidrig eingesetzt werde.

Mit Blick auf die humanitäre Lage im Gazastreifen verurteilte der Menschenrechtskommissar Israels Behinderung von Hilfslieferungen. Der gesamten Bevölkerung drohe eine Hungersnot; fast alle Bewohner hätten nur noch salziges und unsauberes Wasser zu trinken. Es bestehe der Verdacht, dass Israel “Hunger als Kriegsmethode” einsetze. Dies wäre ein Kriegsverbrechen, ebenso wie eine kollektive Bestrafung der Bevölkerung durch die Blockade.

Auch im besetzten Westjordanland kritisierte Türk unverhältnismäßige Militärgewalt durch Israel und die Behinderung humanitärer Hilfe. Zwischen 1. Januar und 6. Oktober 2023 habe man dort so viele Gewalttaten von Soldaten und Siedlern gegen Palästinenser verzeichnet wie nie zuvor seit Beginn der Statistik 2005. Vom 7. Oktober 2023 bis zum 23. Februar seien mindestens 401 Menschen getötet worden, darunter 102 Kinder.