Artikel teilen

Umfrage: Kaum jemand möchte Suizidassistenz für Junge in Krisen

Das eigene Leben zu beenden, sehen manche als das “gute Recht” des Einzelnen. Andere warnen vor dem Suizid als gängiger Therapie-Option. Eine Umfrage zeigt nun ein differenziertes Bild.

Viele Menschen sehen die Debatte um Unterstützung bei der Selbsttötung offenbar differenziert. So gaben 80,5 Prozent in einer repräsentativen Umfrage an, dass tödlich erkrankte Menschen ein Medikament zur Selbsttötung bekommen können sollten. Über die Umfrageergebnisse berichtete der Leiter des Nationalen Suizidpräventionsprogramms (NaSPro), Reinhard Lindner, am Montag in Kassel.

Bei schwer, aber nicht tödlich erkrankten Personen stimmten 37,6 Prozent der Gabe eines tödlichen Mittels zu. Deutlich geringer ist der Zuspruch demnach, wenn es nicht um Krankheiten, sondern um Lebenskrisen geht: Junge Menschen in schwierigen Situationen sollten nur für 2,7 Prozent der Befragten bei der Selbsttötung unterstützt werden. Bei Betroffenen im mittleren Lebensalter stimmten 4,1 Prozent zu; im höheren Lebensalter 10,3 Prozent.

Lindner sprach von “Ageism”, also Diskriminierung aufgrund des Lebensalters: “Wer alt und in einer Lebenskrise ist, soll offenbar eher gehen.” Doch auch dies finde nur bei einer Minderheit Zuspruch.

Die Befragung durch das Meinungsforschungsinstitut Infas zeigte den Angaben zufolge auch, dass Menschen den Umgang mit dem Lebensende anders bewerten, wenn man Alternativen vorschlägt. So stimmten 60,9 Prozent zu, wenn gefragt wurde, ob eine schwerkranke Person mit starken Schmerzen und unheilbarer Prognose ein tödliches Medikament bekommen sollte. Die Zustimmung sank um knapp die Hälfte auf 31,2 Prozent, wenn als Alternative genannt wurde, dass die Person eine schmerzlindernde Behandlung bis zum natürlichen Tod erhalten könnte. Für die Befragung wurden demnach 1.023 Telefoninterviews geführt; in beiden Zeiträumen der Befragung (2021 und 2023) hätten sich die Antworten nicht signifikant verändert.

NaSPro-Leiterin Barbara Schneider pochte auf einen zeitnahen Entwurf für ein Suizidpräventionsgesetz sowie eine nachhaltige Finanzierung. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2020 in einem aufsehenerregenden Urteil ein Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben postuliert – unabhängig von Alter, Krankheit oder individueller Begründung. Dazu könne der Sterbewillige auch die Hilfe Dritter in Anspruch nehmen.

Zuletzt war bekannt geworden, dass die Zahl der Suizide in Deutschland erneut gestiegen ist: 2023 nahmen sich in Deutschland laut NaSPro 10.304 Menschen das Leben; das ist der höchste Wert seit 1995.