Eine todkranke Frau, ein lebensmüder IT-Fachmann und ein blinder Archivar gemeinsam auf der Suche nach dem verlorenen Sohn. “Was dein Herz dir sagt” ist ein temporeicher Exkurs durch die grotesken Mühlen der Bürokratie.
In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:
Friseurin Suze Trappet (Virginie Efira) erfährt mit Anfang 40, dass sie jahrelang giftige Dämpfe eingeatmet hat und binnen kurzem an Krebs sterben wird. In der wenigen Zeit, die ihr noch bleibt, will sie jedoch unbedingt noch herausfinden, was aus ihrem Sohn geworden ist, den sie mit 15 Jahren zur Adoption freigeben musste.
Der behördliche Weg erweist sich als Sackgasse, doch findet sie in dem zu Unrecht als Amokläufer verdächtigten IT-Fachmann Jean-Baptiste “JB” Cuchas (Albert Dupontel) und einem blinden Archivar (Nicolas Marie) zwei unerwartete Mitstreiter bei ihrer Spurensuche.
Die einfallsreiche Komödie von 2020 ist bereits die siebte Regiearbeit von Albert Dupontel, der als Filmemacher lange auf durchgeknallte Szenarios mit schrillen Geschmacksüberschreitungen setzte. Auch “Was dein Herz dir sagt” bietet eine satirische Überzeichnung von Gesellschaft und Nebenfiguren, groteske Ideen zwischen Kafka und Monty Python und gelinde gesagt unberechenbare Wendungen.
Doch besitzt sein Film auch ruhigere Momente, in denen der skurril-traurige Tonfall zugunsten hochemotionaler Gefühlsdemonstrationen überwunden wird, und die mit am eindrucksvollsten sind. In Frankreich traf er damit inmitten der Corona-Zeit einen Nerv, lockte trotz der extremen Einschränkungen mehr als zwei Millionen Zuschauer ins Kino und gewann sechs “Cesars”.
“Ganz schön blöd, meine Antikörper!” Es ist bitterer Galgenhumor, mit dem die Friseurin Suze auf ihre fatale Diagnose reagiert: Sie leidet an einer Autoimmunkrankheit, ihre Antikörper bekämpfen ihren Organismus, statt ihn zu verteidigen. Laut dem Arzt hat das Haarspray, das Suze in ihrem Salon jahrelang eingesetzt hat, sie unfruchtbar gemacht und ihre Bronchien zersetzt. Mit Anfang 40 steht Suze damit vor der Aussicht, dass ihr Leben bald qualvoll enden wird.
Was ihr allein noch bleibt, ist die Hoffnung, zumindest an einem ihrer Fehler eine kleine Korrektur vorzunehmen: Als 15-Jährige war sie schwanger geworden und musste das Baby auf Druck ihrer Eltern zur Adoption freigeben. Nun will sie erfahren, was aus ihrem ungekannten Sohn geworden ist. Dazu bräuchte es nur ein Entgegenkommen der Gesundheitsbehörde; damit beginnt das Dilemma.
Das Verhalten der Behörden in “Was dein Herz dir sagt – Adieu ihr Idioten!” von 2020 glänzt mit all seinen grotesken Tücken der Bürokratie. Das Amt für Gesundheit ist in da wahrlich kein Einzelfall, agiert aber besonders umständlich und unkooperativ. Das merkt nicht nur Suze, sondern auch ein langjähriger Mitarbeiter wie der IT-Direktor Jean-Baptiste “JB” Cuchas, der sich als Experte für Sicherheitsprogramme als Stütze des Amtes betrachten konnte, jedoch nun durch einen Jungspund frisch von einer Elite-Universität ersetzt werden soll. Das ist zu viel für den schon über 50-Jährigen: Entschlossen besorgt er sich ein Gewehr und will mit einem Knalleffekt aus dem Leben scheiden.
Das aber misslingt gründlich, denn statt ihn selbst zu töten, durchschlägt der Schuss seine Bürowand und verletzt den Berater, der just mit Suze im Gespräch ist. In der darauffolgenden Massenpanik verliert JB das Bewusstsein; so kann ihn Suze, die als einzige nicht geflohen ist, unter Mühen aus dem Büro, in den Fahrstuhl und bis in die Tiefgarage zu ihrem Auto schaffen. Als JB wieder ansprechbar ist, schlägt sie ihm einen Handel vor: Wenn er bei ihrer Suche hilft, will sie aufklären, dass er mitnichten der gemeingefährliche Amokläufer ist, als der er inzwischen von der Polizei gesucht wird.
Neben seiner erfolgreichen Schauspielkarriere verfolgt der Franzose Albert Dupontel bereits seit den 1990er-Jahren auch Regie-Ambitionen, deren Erfolg allerdings bislang auf seine Heimat beschränkt war. Mit “Was dein Herz dir sagt” wagte sich 2020 erstmals ein deutscher Kino-Verleih an eine von Dupontels Arbeiten. Die recht blutige Szene im Gesundheitsamt ist dabei keineswegs der Auftakt für eine Serie ähnlicher Vorfälle.
Stattdessen wendet sich Dupontel dem ungleichen Paar Suze und JB und deren Kampf gegen die Bürokratie zu. Auf der Suche nach der Aktennotiz führt ihr Weg durch Büro-Labyrinthe und menschenfeindlich-moderne Bauten. Unerwarteter Hilfe erhalten sie im blinden Archivar des Rathauses: Dieser hat sein Augenlicht durch einen fehlgeleiteten Polizeieinsatz verloren und reagiert seitdem panisch auf die Vertreter des Gesetzes. So ist er trotz seines fehlenden Sehsinns schnell eifriger Helfer, während die Polizei den drei Unverstandenen dicht auf den Fersen ist.
Zwar ist “Was dein Herz dir sagt” als Komödie ein starker Genrevertreter mit nur wenigen Klamauk-Momenten. Am einprägsamsten ist der Film aber in seinen ruhigeren Sequenzen. Dem Irrsinn und der potenziellen Bedrohlichkeit der gezeigten Welt stellt Dupontel als Regisseur eine beachtliche Wärme und Empathie entgegen. Mit Virginie Efira hat er eine Hauptdarstellerin, die durchweg die Sympathie für die verzweifelte Lage ihrer Figur hochhalten kann, aber auch Dupontels eigene Interpretation von JB lässt immer wieder dessen Einsamkeit und Enttäuschung aufscheinen, genauso wie sich bei Nicolas Maries skurrilem Archivar beständig die angenehmen Erinnerungen an die Zeit vor seiner Erblindung mit der ernüchternden Gegenwart reiben.