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Todesstrafe wegen einer Bibel

Hungernde Menschen, Häftlinge und Christen in Nordkorea brauchen mehr Unterstützung.

Von Tilman Asmus Fischer

Das sogenannte Interessengebiet, auf dem die Nationalsozialisten das Konzentrationslager Auschwitz mit Nebenlagern errichteten, umfasste eine Fläche von 40 Quadratkilometern. Es wird schwer sein, in Deutschland einen Schüler zu finden, der nicht weiß, welcher Zivilisationsbruch sich hinter dem Begriff „Auschwitz“ verbirgt. Wer hingegen kennt etwa das „Straflager 16“? Dabei gehört dieser Ort des Schreckens nicht der Vergangenheit an, sondern ist ein Teil der Gegenwart. Auf über 500 Quadratkilometern hält das kommunistische Regime Nordkoreas dort einen Teil seiner politischen Häftlinge gefangen. „Wir müssen alles dafür tun, Nordkorea zu einem deutschen Problem zu machen“, meint die ehemalige Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld. Sie lässt das Schicksal der etwa 200000 politischen Häftlinge in Nordkorea nicht kalt. Hierfür Aufmerksamkeit zu erhalten, ist äußerst schwer. Das merkte sie schon zu ihrer Zeit im Bundestag: „Viele Kollegen glaubten, das Problem würde sich von selbst erledigen, da das Land nicht überlebensfähig sei.“ Diese Haltung prägt auch den Diskurs über die jüngste Eskalation in Ostasien: Zwar ist man allseits besorgt über das Atomprogramm – ansonsten geht man jedoch davon aus, dass die kommunistische Führung irgendwann Konzessionen machen wird. Bevor das Volk verhungert. Dabei wird übersehen, dass die Regierung der Devise von Kim Jong Il folgt: Menschen mit vollen Bäuchen kommen auf dumme Gedanken. „Häufig bestehen europäische Missverständnisse gegenüber Nordkorea“, mahnt Vera Lengsfeld, die selbst in einer kommunistischen Diktatur aufwuchs: „Der entscheidende Unterschied ist jedoch, dass die DDR-Führung um eine Steigerung des Lebensniveaus bemüht war. Nordkorea lässt seine Bevölkerung hungern und richtet sich darin ein, von internationaler Hilfe abhängig zu sein.“ Das Volk ist zur Kalkulationsmasse geworden. Auch die große Hungersnot der 1990er Jahre bewegte die Regierung nicht zu Reformen. „Sie rettete sich mit einer ,Militär zuerst‘-Propaganda“, erinnert Lengsfeld. Das Volk sollte zu Gunsten des Militärs verzichten, das sich gegen die fingierte Gefahr eines amerikanischen Angriffs rüsten musste.

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