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Texanische Regierung will Flüchtlingshelfer kriminalisieren

Seine Bewunderer nennen ihn den “Engel von El Paso”, für die texanische Regierung ist er ein Schleuser. Sich selbst sieht Ruben Garcia, katholischer Leiter eines Netzwerks für Einwanderer, in der Nachfolge Jesu.

Eine halbe Million Asylsuchende, die über die vergangenen fünf Jahrzehnte ohne Papiere in die USA kamen, hätten ohne das Annunciation House in El Paso nicht weitergewusst. Den Grenzschützern der “Border Patrol” ging es in den vergangenen Jahren nicht anders. Mangels Ressourcen der Bundesregierung in Washington und der Behörden in Texas wandten sie sich regelmäßig an den Leiter der Asyleinrichtung, Ruben Garcia.

Die Wende kam 2014, als die Grenzschützer eine Änderung bei der Zusammensetzung der Neuankömmlinge feststellten. Die Mehrheit waren nicht mehr Menschen, die auf Jobs und wirtschaftlichen Aufstieg hofften, sondern Familien auf der Flucht. Diese liefen vor der Gewalt der Drogenmafia, den Gangs und der Korruption in Zentralamerika weg.

Der katholische Flüchtlings-Advokat handelte einen Deal aus. Garcia half, dass Frauen und Kinder nicht auf der Straße landeten, während die Regierung die Autonomie der nichtstaatlichen Organisationen respektierte. Eine Vereinbarung, die dem Staat obendrein viel Geld gespart hat. Denn Garcia finanzierte die Arbeit des Annunciation House von Anfang an aus Spenden und mithilfe seiner Kirche.

Veronica Escobar, die El Paso im US-Kongress vertritt, nennt den sanftmütigen Katholiken mit dem weißen Haar “einen Engel, der auf der Erde herumläuft”. Die Demokratin ist empört, dass Garcia nun vom Generalstaatsanwalt von Texas, Ken Paxton, verteufelt wird. Der Rechtsaußen, Anhänger von Ex-Präsident Donald Trump, wirft der katholischen Organisation in einer Klageschrift vor, ein “Versteck” zu betreiben, “das den illegalen Eintritt in die Vereinigten Staaten, die Beherbergung von Ausländern und Menschenschmuggel ermöglicht”.

Überrascht ist Escobar über den Frontalangriff auf die katholische Institution nicht. “Die republikanischen Kollegen im Justiz-Komitee des Repräsentantenhauses haben schon die Catholic Charities denunziert und angegriffen, weil sie Einwanderer und Asylsuchende unterstützen”, weiß sie und verweist auf einen Brief an die größte amerikanische Wohlfahrtsorganisation der katholischen Kirche von 2023. “Das ist ziemlich das Gegenteil von dem, was Gläubige ein ganzes Leben lang gelernt haben.”

Paxton hatte dem Annunciation House Anfang des Jahres eine 24-Stunden-Frist gesetzt, Dokumente mit persönlichen Angaben von Menschen auszuhändigen, die Zuflucht gefunden hatten. Die Organisation verlangte mehr Zeit und schaltete ein Bundesgericht ein. Garcias Anwalt Jerome Wesevich meint, unter vernünftigen Menschen wäre das mit ein paar Telefonaten erledigt gewesen. “Die suchten nur nach einem Vorwand, das Annunciation House zu schließen.”

So sieht das auch der zuständige Ortsbischof Mark Seitz. In einem jüngsten Schreiben versprach er, “die Freiheit der Gläubigen und Gutgesinnten, ihre tiefen Glaubensüberzeugungen in die Praxis umzusetzen, kraftvoll zu verteidigen”. Die Kirche werde sich nicht einschüchtern lassen. “Hierbei geht es nicht um Politik, sondern die frohe Botschaft.” Es folgten Solidaritätsadressen der texanischen Bischöfe und der US-Bischofskonferenz.

Bei dem texanischen Gouverneur Greg Abbott prallten die Appelle bisher ab. Der Rechtskatholik gehört zu den treibenden Kräften hinter dem Versuch, die tätige Nächstenliebe seiner Kirche zu kriminalisieren. Organisationen wie die Garcias und die Catholic Charity trügen zu den illegalen Übertritten und der Krise an der Südgrenze bei, lautet sein Argument.

Garcia ist aus seiner langjährigen Arbeit Anfeindungen gewohnt. Was ihn dieses Mal besonders stört, ist der fundamentale Angriff auf die Ausübung des Glaubens selbst. “Wenn ich jemandem etwas zu essen gebe, der bisher nicht durch die Bürokratie gelaufen ist, ihm eine Decke schenke oder helfe, von der Straße zu kommen, dann kann ich dafür angeklagt werden”, beklagte der Engel von El Paso in einem Gespräch mit US-Senatoren das zunehmend feindselige Klima. “Es ist eine Schande, dass wir uns in den USA damit überhaupt nur beschäftigen müssen.”