Die Jugendlichen in Deutschland sind laut einer Studie zunehmend besorgt. Ursache seien die vielen Krisen und Problemen wie Kriege, Energieknappheit, Inflation und Klimawandel, heißt es in der am Mittwoch in Berlin vorgestellten Sinus-Studie „Wie ticken Jugendliche?“. Die Sorge um Umwelt und Klima, die schon in der Vorgängerstudie 2020 beschrieben wurde, wachse in der jungen Generation weiter an, sagte Studienleiter Marc Calmbach. Das Allgemeinbefinden der Jugendlichen sei „noch ernster und besorgter als in den vorherigen Studien“, hieß es.
Dazu komme eine beträchtliche Verunsicherung durch die schwer einzuschätzende Migrationsdynamik und die dadurch angestoßene Zunahme von Rassismus und Diskriminierung. Auch sei für viele Jugendliche der Übergang ins Berufs- und Erwachsenenleben aufgrund der „unkalkulierbaren gesellschaftlichen Entwicklungen“ angstbesetzt.
Für die Studie „Wie ticken Jugendliche?“ des Heidelberger Sinus-Institutes wurden den Angaben zufolge insgesamt 72 qualitative Fallstudien mit Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren zwischen Juni und September 2023 durchgeführt. Dazu gehörten ausführliche Einzelinterviews und standardisierte Fragenkataloge.
Der für die junge Generation typische Optimismus ist den Befragten laut Studienergebnissen aber nicht verloren gegangen. 84 Prozent seien mit ihrem Alltag zufrieden. Eine Rolle spiele dabei, dass die Befragten, „seit sie denken können“, mit vielfältigen Krisen leben. Entsprechend werde ihr Optimismus nicht eingeschränkt durch die Sehnsucht nach einer Vergangenheit, die es so für sie nie gab.
Calmbach betonte, der Aspekt des Bewahrenden und Nachhaltigen sei für viele Jugendliche noch wichtiger geworden: „Der für die Jugend typische Hedonismus hat abgenommen. Stattdessen gibt es eine Rückkehr zur Bodenständigkeit.“ Viele strebten nach einer „bürgerlichen Normalbiografie“ und träumten von einem sorgenfreien Leben.
Laut Co-Autor Tim Gensheimer nimmt zugleich die Akzeptanz von Diversität zu. Klassische Rollenbilder gälten als überholt. Es gebe eine hohe Toleranz gegenüber unterschiedlichen Kulturen und Lebensformen und eine starke Sensibilisierung für Gender-Gerechtigkeit. Die meisten Befragten zeigten sich laut Studie zudem „demonstrativ offen“ dafür, wenn Menschen ihr Geschlecht als „non-binär“ definieren, also weder männlich noch weiblich. Zudem seien die Teenager sehr sensibel für strukturelle Ungleichheiten. Sie würden offene oder verdeckte Diskriminierung genau beobachten und kritisieren, etwa wenn es um Bildungsgerechtigkeit gehe, hieß es. Dabei sähen sie besonders migrantische Familien im Nachteil.
Politik und Schule stellen die Jugendlichen ein schlechtes Zeugnis aus. Der Politik werde keine Lösungskompetenz zugetraut, sagte Gensheimer. In der Schule würden Mitspracherechte vermisst.
Wichtigste Informationsquelle ist laut Studie für die meisten Social Media. In erster Linie gehe es dabei um Unterhaltung und Kontaktpflege, politische Nachrichten seien überwiegend nur „Beifang“. Dennoch sei den Befragten die Gefahr bewusst, auf Plattformen Falschinformationen und manipuliertem Content ausgesetzt zu sein. Die meisten gingen davon aus, dass sie „Fake News“ erkennen, vor allem mithilfe von „gesundem Menschenverstand“. Wenn Jugendliche mit Fake News konfrontiert seien, würden sie diese aber meist ignorieren. Eigene Recherchen dazu seien eher selten.
Die Befragten stammten den Angaben zufolge aus 26 Regionen und allen sozialen Schichten. Auftraggeber der Studie 2024 waren neben der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) unter anderem der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) sowie die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung.