Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schlägt in einer neuen Studie vor, für den vorzeitigen Rentenbezug vom Nachweis von 45 Versicherungsjahren abzuweichen. Denkbar wäre ein altersabhängiges Berufsunfähigkeitskriterium, das belasteten Menschen frühere Rentenzugänge ermöglicht, ohne die Kosten des Systems zu sprengen, teilte das DIW am Mittwoch in Berlin mit.
In der Studie auf Basis von Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wurden 8.000 Erwerbsbiografien analysiert, um herauszufinden, wer von frühzeitiger abschlagsfreier Altersrente profitiert und wer nicht. Dabei trat zutage, dass ein erheblicher Teil derjenigen, die nach 45 Versicherungsjahren frühzeitig und abschlagsfrei in Rente gehen, aus Berufen mit vergleichsweise geringer Belastung kommt.
In der Debatte über die „Rente mit 63“ gehe es häufig um stark belastete Beschäftigte in der Gastronomie, in der Kranken- und Altenpflege oder dem Handwerk. Allerdings blieben Menschen, die lange in solchen belastenden Berufen gearbeitet hätten, oft außen vor, weil sie gar nicht auf 45 Versicherungsjahre kämen. „Von denjenigen, die abschlagsfrei in Rente gehen können, war weniger als ein Drittel während des Berufslebens im Durchschnitt sehr hoch belastet. Dazu zählen neben körperlicher Anstrengung auch sogenannte psychosoziale Belastungen wie Stress. Demgegenüber waren fast 40 Prozent leicht bis mäßig belastet“, so das DIW.
DIW-Forscher Herman Buslei erklärte: „Die Dauer der Erwerbskarriere ist ein unzureichender Indikator, um berufliche Belastungen zu messen.“ Als Kriterium für eine vorgezogene Altersrente favorisierte er ein Instrument, „das an der tatsächlichen Beschäftigungsfähigkeit der Versicherten ansetzt“.
Die Studienautoren raten dazu, die gesundheitliche Leistungsfähigkeit stärker in den Fokus zu rücken, wenn es darum geht, wer frühzeitig und abschlagsfrei in Rente gehen darf. „Wir brauchen zielgerichtete Instrumente, die sicherstellen, dass besonders belastete Berufsgruppen, die oft gar nicht auf 45 Versicherungsjahre kommen, nicht durchs Raster fallen“, empfahl Mitautor Lars Felder.