Eine 37 Jahre alte Frau stirbt. Ein Arzt soll ihr zuvor eine Infusion mit einem tödlich wirkenden Medikament gelegt haben. Ein Gericht sprach deswegen nun ein Urteil.
Wegen unzulässiger Beihilfe zum Suizid ist ein Arzt vom Berliner Landgericht am Montag zu drei Jahren Gefängnis wegen Totschlags verurteilt worden. Dem 74-Jährigen war vorgeworfen worden, in zwei Fällen einer an einer schweren Depression leidenden Frau Medikamente zur Selbsttötung überlassen zu haben. Während der erste Versuch im Juni 2021 fehlschlug, starb die Frau wenige Wochen später beim zweiten Versuch. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Arzt hatte zu Prozessbeginn angekündigt, im Fall einer Verurteilung in Revision zu gehen.
Nach Ansicht des Gerichts war die 37-jährige Frau, der der Arzt die Medikamente überließ, wegen ihrer psychischen Erkrankung beim zweiten Versuch nicht mehr zur freien Willensbildung in der Lage. Ärztliche Beihilfe zum Suizid ist straffrei, wenn die Entscheidung des Sterbewilligen freiverantwortlich gefallen ist. Der Arzt hatte im Prozess ausgesagt, er habe zu keinem Zeitpunkt an der Urteils- und Entscheidungsfreiheit der Frau gezweifelt.
Der Arzt hatte eingeräumt, der Frau im Juni 2021 in ihrer Wohnung in Berlin Tabletten mit einem tödlichen Wirkstoff überlassen zu haben. Die Frau hatte aber überlebt, da sie die Tabletten wenige Stunden nach der Einnahme erbrach. Am 12. Juli 2021 hatte er, dem Gericht zufolge, der Frau dann in einem Hotelzimmer eine Infusion mit einem anderen tödlich wirkenden Medikament gelegt. Die Frau habe die Infusion selbst in Gang gesetzt. Kurz darauf sei sie daran gestorben.
Der Arzt musste sich bereits 2018 vor dem Berliner Landgericht in einem Prozess wegen unterlassener Hilfeleistung verantworten, nachdem er einer Patientin ein Mittel zur Selbsttötung verschafft hatte und keine Rettungsmaßnahmen nach der Einnahme in seinem Beisein unternahm. Der Prozess endete damals mit einem Freispruch, der ein Jahr später auch vom Bundesgerichtshof nochmals bestätigt wurde.
Am 1. Februar hatte das Landgericht Essen in einem ähnlichen Fall ebenfalls einen Arzt zu drei Jahren Haft verurteilt.
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2020 ein weitreichendes Recht auf selbstbestimmtes Sterben postuliert und die Tätigkeit von Sterbehilfevereinen wieder zugelassen. Zugleich diskutiert die Politik derzeit, wie verhindert werden kann, dass sich Menschen auf äußeren Druck hin oder durch Depressionen das Leben nehmen.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz erklärte: “Auch das heutige Urteil zeigt, dass das Strafrecht bereits Schutzkonzepte für den Tod aus den Gelben Seiten bereithält. Dennoch ist eine gesetzliche Klarstellung angezeigt”, so Vorstand Eugen Brysch. Es gelte, das Handeln des einzelnen Sterbehelfers strafrechtlich in den Blick zu nehmen. “Sein Tun erfordert höchste Sachkunde. Er hat zweifelsfrei sicherzustellen, dass der Suizid selbstbestimmt gewünscht wird und die Entscheidung ohne Einfluss sowie Druck seitens Dritter zustande kommt.”