Eine Familie versucht, die Erinnerung wachzuhalten. Fotos und Tagebücher vom Fallschirmjäger Willibald Schnabel, der vor 80 Jahren in der Normandie gefallen ist, rücken bei einem Besuch der Schlachtfelder näher.
“Warum liegt der eigentlich in Frankreich?” Der kleine Junge versteht nicht, warum sein Urgroßonkel Willibald Schnabel auf einem großen Soldatenfriedhof in der Normandie begraben liegt – mit tausenden anderen deutschen Soldaten.
80 Jahre ist es in diesen Tagen her, dass britische und amerikanische Truppen an gleich fünf Strandabschnitten in der Normandie landeten, um die Nazi-Herrschaft über Europa zu beenden. Dokumentationen und Spielfilme wie “Der längste Tag” oder “Der Soldat James Ryan” haben das kollektive Gedächtnis vom größten amphibischen Landungsunternehmen der Geschichte geformt. Die Zahl der Zeitzeugen schwindet. Aber auch heute noch ist der D-Day für viele Menschen weit mehr als ein historischer Gedenktag: Er ist ein wichtiges Datum ihrer Familiengeschichte.
Das gilt auch für die Schnabels aus Hanau, deren Suche nach den Spuren ihrer Verwandten in der Normandie der deutsch-französische Kulturkanal Arte am Mittwochabend dokumentiert. Ein Journalisten-Team hat Bernhard Schnabel, seine Tochter Elena sowie zwei Enkel für die Reihe “Re: Der D-Day und eine Reise in die Familiengeschichte” (19.40 Uhr bis 20.15 Uhr) beim Treffen mit Zeitzeugen und beim Besuch von Bunkeranlagen, Gedenkstätten, Museen und auf Soldatenfriedhöfen begleitet. Im Gepäck haben die Schnabels Fotos, Briefe und Tagebücher ihrer Verwandten, Dokumente der Angst, aber auch der Hoffnung.
Der Vater und ein Onkel von Bernhard Schnabel waren damals als Soldaten der Wehrmacht in der Normandie: Der Fallschirmjäger Willibald Schnabel fiel im Juli 1944 bei den Kämpfen um Saint-Lo, sein Bruder Josef geriet in Gefangenschaft und musste nach dem Krieg beim Küstenstädtchen Fecamp Minen räumen.
Die Reportage zeigt, wie die Schnabels Mosaiksteinchen um Mosaiksteinchen ein genaueres Bild ihrer beiden Verwandten zusammensetzen. Zuhause erinnerten vor allem ein kleines Photo von einem sportlichen jungen Mann und ein Kruzifix im Wohnzimmerschrank an den gefallenen Willibald. In den engen Bunkern und an den weiten Normandie-Stränden können die Nachfahren ein wenig nachempfinden, mit welchen Ängsten die jungen Soldaten die befürchtete Invasion erwarteten.
Vater und Tochter finden den Ort, an dem Willibald Schnabel vermutlich starb. Sie treffen den Enkel eines französischen Schmieds, der sich 1945 um den deutschen Kriegsgefangenen Josef Schnabel kümmerte. Es ist eine rührende Szene, wie Bernhard Schnabel dem Franzosen 80 Jahre später seinen Dank für die Großherzigkeit und Menschlichkeit des Großvaters gegenüber dem Feind ausspricht.
Die Schnabels besuchen auch den Utah Beach, an dem besonders viele US-Soldaten ums Leben kamen. Und sie treffen den fast 100-jährigen US-Veteranen Charles Norman Shay, der sich damals als Sanitäter Heldenstatus verdiente und der sich zeitlebens für eine angemessene Erinnerung an die Opfer und die Helden dieses Kampfes um die Freiheit eingesetzt hat.