Doch nur ein stummer Schrei nach Liebe? Ein fürsorgliches Elternhaus kann nach Worten des Soziologen Alexander Yendell einer rechtsextremen Gesinnung vorbeugen. Emotionalität bringe mehr als faktenbasiertes Diskutieren.
Fürsorglichkeit und ein liebevolles Umfeld haben nach Worten des Soziologen Alexander Yendell tatsächlich Auswirkungen darauf, ob ein Mensch extremistische Ansichten entwickelt. “Aus der Forschung ist bekannt, dass Kinder eher autoritäre und narzisstische Züge entwickeln, wenn sie in ihrem Elternhaus Kälte, Vernachlässigung oder sogar Gewalt erfahren. Solche Eigenschaften führen wiederum zu einer größeren Offenheit für Verschwörungsglauben und extremistisches Gedankengut”, sagte der in Leipzig lehrende Wissenschaftler in einem “Spiegel”-Interview (Samstag). Es brauche stattdessen “ein grundlegendes Maß an Fürsorge und Wärme”.
Als Beispiel führt Yendell etwa den norwegischen Rechtsterroristen Anders Breivik sowie die deutsche NSU-Terroristin Beate Zschäpe auf. “Beide kamen aus schlimmen Familienverhältnissen, die hatten wirklich traurige Kindheiten”, erklärte der Soziologe. Das mindere nicht ihre Schuld an den Taten, die sie begangen haben. “Aber es hilft uns zu verstehen, welche Faktoren rechtsextreme Positionen und Gewaltbereitschaft begünstigen.”
Gleichzeitig betonte Yendell, dass viele Faktoren bei Jugendlichen zur Ausbildung einer extremistischen Gesinnung führen könnten. “Wenn rechtsextreme Positionen im eigenen Umfeld normal erscheinen, kann das anstecken.” Zudem könnten politische Krisen zu einer Radikalisierung beitragen. “Rechtsextreme sind in einem Angstmodus gefangen”, sagte der Soziologe. “Und bei manchen schlägt diese Angst in Aggression gegenüber allem Fremden um. Man wertet sich auf, indem man andere abwertet. Das vermittelt ein Gefühl von vermeintlicher Sicherheit.”
Eine rationale Argumentation mit betroffenen Jugendlichen sei dann kaum mehr möglich. “Es nutzt in solchen Fällen wenig, den Menschen Zahlen vor die Nase zu halten und zu sagen: So schlimm ist das mit Geflüchteten gar nicht. Im Zweifel macht es das sogar noch schlimmer, weil die Menschen das Gefühl haben, sich verteidigen zu müssen”, so Yendell. Wichtiger sei die Vermittlung emotionaler Kompetenzen, um politische Bildung zu vermitteln.