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Sozialer Wohnungsbau in Ost- und Westdeutschland

Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit, wie Fachleute betonen. In vielen Städten und Ballungsgebieten fehlt bezahlbarer Wohnraum. Zudem sinkt seit Jahren die Zahl der Sozialwohnungen. Wie kam es dazu? Ein historischer Abriss.

Nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg (1939-1945) herrschte in ganz Deutschland eklatanter Wohnungsmangel. Beide deutsche Staaten, die Bundesrepublik wie auch die DDR, hatten mit diesem Problem zu kämpfen, gingen aber grundlegend anders damit um. Die Bundesrepublik schuf in ihrem Gründungsjahr 1949 ein „Ministerium für Wohnungsbau“, das sowohl den sozialen Wohnungsbau als auch die Eigenheimförderung vorantrieb. 1950 begann der systematische soziale Wohnungsbau in Westdeutschland. Als Hochzeit des sozialen Wohnungsbaus gelten die 1950er und 1960er Jahre. Ende der 1960er Jahre war fast jede dritte Mietwohnung (knapp 30 Prozent) öffentlich gefördert.

In der DDR erhielt das Recht auf Wohnung Verfassungsrang. Privateigentum wurde abgeschafft, Mieten gesetzlich geregelt. Wohnungen wurden zum öffentlichen Gut, für dessen Verteilung der Staat sorgte. Sie waren bezahlbar, wenn man denn das Glück hatte, eine zu bekommen – doch sozialistische Politik und Wohnungsmangel gehörten untrennbar zusammen: DDR-Bürgerinnen und -Bürger warteten bis zu zehn Jahre auf eine Wohnung.

Vor diesem Hintergrund beschloss die herrschende SED auf ihrem 8. Parteitag 1971 die Lösung der Wohnungsfrage bis 1990 und startete dazu ein Wohnungsbauprogramm. Die typischen Plattenbausiedlungen entstanden, doch selbst diese Bauoffensive konnte mit der steigenden Nachfrage nicht mithalten.

Nach der Wiedervereinigung gab es in den 1990er Jahren noch einmal einen Bauboom, auch der soziale Wohnungsbau wurde kurzzeitig wiederbelebt und auf Ostdeutschland ausgeweitet. Die erste rot-grüne Bundesregierung (1998-2002) entschied, den sozialen Wohnungsbau 2001 durch die soziale Wohnraumförderung zu ersetzen und schrittweise zurückzufahren. Die große Koalition ab 2005 strich die Eigenheimzulage und veranlasste, dass sich der Bund seit der Föderalismusreform 2006 vollständig aus der Förderung des sozialen Wohnungsbaus zurückzog, stattdessen sind die Bundesländer dafür zuständig.

Die Nullerjahre des 21. Jahrhunderts betrachtet die Bundeszentrale für politische Bildung als „Flaute“ auf dem Mietwohnungsmarkt: „Der Bau von Wohnungen erreichte in diesem Jahrzehnt in Ost- und Westdeutschland einen historischen Tiefstand.“ Mit starker Zuwanderung aus der EU ab 2010 sowie der Fluchtmigration 2015/16 wuchs die Bevölkerung in Deutschland von 80,3 Millionen Ende 2010 auf 82,9 Millionen Ende 2018. Insbesondere in den wachsenden Großstädten und Ballungsräumen vergrößert das den Mangel weiter. Die Politik reagierte darauf zum Beispiel mit der 2015 eingeführten Mietpreisbremse. Eine Rückkehr zu einer „wohlfahrtstaatlichen Wohnungspolitik früherer Jahrzehnte“ sei aber nicht erkennbar, lautet das Fazit der Bundeszentrale.