Der Staatsfunk bringt Sport und Musik, als sei nichts geschehen. Private Infosender wurden unterbrochen, immer wieder wird das Internet gesperrt: Seit der Verschiebung der Präsidentschaftswahl steuert der Senegal, bisher die Vorzeigedemokratie in Westafrika, auf eine schwere politische Krise zu.
Die Sperrung des Internets soll Ausschreitungen verhindern, Demonstrationen sind verboten. Ausländische Botschaften, darunter die der USA, Deutschlands und Frankreichs, rufen ihre Bürgerinnen und Bürger zu Vorsicht auf.
Vergangenen Samstag hatte Präsident Macky Sall überraschend die für den 25. Februar geplante Präsidentschaftswahl auf unbestimmte Zeit verschoben. Es folgten Proteste. Am Montag vertrieb ein großes Polizeiaufgebot Demonstranten vor dem Parlament in der Hauptstadt Dakar mit Tränengas.
Nur Stunden später stimmte das Parlament für eine Verschiebung der Wahl auf den 15. Dezember – allerdings ohne die Abgeordneten der Opposition, die von Sicherheitskräften aus dem Saal eskortiert worden waren. Sall darf nun im Amt bleiben, bis sein Nachfolger gewählt ist.
Der Senegal galt bisher als stabiles Land in einer krisenreichen Region. Während etwa Mali und Burkina Faso eine Reihe von Putschen erlebten, verliefen die Machtwechsel in dem etwa 18 Millionen Einwohner zählende Land seit seiner Unabhängigkeit von Frankreich 1960 weitgehend friedlich.
Doch zuletzt wurde die Sorge vor einer autoritären Wende immer größer. Die Opposition unterstellt Sall ein drittes Mandat antreten und damit gegen die Verfassung verstoßen zu wollen, die nur zwei Amtszeiten vorsieht.
Seitdem der vor allem bei der Jugend beliebte Oppositionspolitiker Ousmane Sonko seit März 2021 mit mehreren Klagen überzogen wurde, kommt es immer wieder zu Ausschreitungen. Der 49-Jährige sitzt inzwischen nach einer juristischen Schlacht durch alle Instanzen im Gefängnis. Seine Partei Pastef ist verboten.
Die Verschiebung der Wahl begründete Sall mit Streitigkeiten über die Zulassung der Kandidaten. Doch Beobachter von der Denkfabrik Wathi in Dakar sehen darin ein Manöver, um Zeit zu gewinnen für einen aussichtsreicheren Nachfolger aus dem eigenen Lager. Denn der von Sall unterstützte Premierminister und Präsidentschaftskandidat Amadou Ba hatte in den Umfragen zuletzt wenig Aussichten auf Erfolg.
Mit dem Slogan „Macky dictateur!“ tragen nun viele Demonstrantinnen und Demonstranten an zahlreichen Orten im Land ihre Kritik auf die Straße. Mehr als 150 Menschen wurden laut der Nachrichtenagentur „SeneNews“ bisher bei den Protesten festgenommen.
Doch nicht nur auf Demonstrationen tut die Bevölkerung ihre Meinung kund. Auch in den Sammeltaxen diskutieren die Fahrgäste. „Macky ist ein Satan“, sagt ein Mann in Arbeitskleidung wütend: „Er hat uns bestohlen und will das weiter tun“, sagt er noch, als er aus dem klapprigen Wagen aussteigt.
Ein 40-jähriger Kommunikationsmanager gibt zu bedenken: „Das Volk daran hindern, seine Meinung über Medien zu äußern und zur Wahl zu gehen, tötet die Demokratie.“
Ein Mann im traditionellen blauen Kaftan schimpft auf die Behörden im Land, verteidigt aber die Entscheidung des Präsidenten. „Senegal muss friedlich bleiben“, sagt er. In den sozialen Medien und auf Privatsendern werde viel Unsinn verbreitet: „Unser Volk ist nicht sehr gebildet und glaubt das alles.“ Die Leute äußern überall lautstark ihre Meinung, die meisten wollen aber anonym bleiben – wohl auch aus Angst.
Auch dem Präsidenten bisher wohlgesinnte Kommentatoren in lokalen Medien sprechen von einem „institutionellen und konstitutionellen Staatsstreich“. Senegalesische Menschenrechtsorganisationen wie die „Ligue Sénégalaise des Droits Humains“ kritisieren die Einschränkung der Meinungsfreiheit und fordern die Verantwortlichen zu Zurückhaltung auf.
Auch international wächst die Sorge. Die Demokratie im Senegal sei bedroht, warnte „Human Rights Watch“. Das Auswärtige Amt rief die politischen Kräfte des Landes auf, die über lange Zeit gewachsene demokratische Tradition des Landes zu wahren.
Dabei dürften die kommenden Tage unruhig werden. Für Donnerstag rufen 20 Bürgerrechtsorganisationen zu einem Generalstreik auf. Zuletzt gab es bei Protesten immer wieder Tote.