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Sommerferien, Stau und Segen

Sie kommen aus Holland, Belgien oder Norddeutschland: Viele Reisende sind bereits stundenlang im Auto unterwegs, als sie auf dem Autobahn-Rastplatz Unditz an der A5 bei Lahr Halt machen. Dort hat die Evangelische Landeskirche in Baden Sonnenschirme und Tische aufgestellt und schenkt kostenlos Kaffee und Wasser aus.

„Warum machen Sie das?“ werden die Seelsorgerinnen und Seelsorger überrascht gefragt. „Wir wollen Ihnen einfach etwas Gutes tun“, erläutert die Freiburger evangelische Dekanin Angela Heidler mit einem Strahlen im Gesicht, während sie einen Cappuccino zubereitet.

Manche bleiben nur kurz stehen, andere setzen sich in einen der Liegestühle oder trinken Kaffee an einem der Stehtische. „Seien Sie behütet auf Ihrer Reise“, sagt Heidler zu einer fünfköpfigen Familie, die sich am Kirchenstand erfrischt hat und unterwegs nach Spanien ist.

Aber es gibt auch längere, intensive Gespräche. Manche seien sehr offen und erzählten, was sie im Innersten berühre, sagt Pfarrerin Kristina Lallathin. Hingucker ist die mobile Kirche, ein umgebauter, silberner Airstream-Wohnwagen aus den USA. Wenn Menschen ihre Verletzlichkeit zeigten, sei sehr viel Sensibilität gefragt, sagt die Seelsorgerin, die im Wohnwagen auf einem gemütlichen, roten Sofa sitzt.

Für Kinder gibt es Gummibärchen, Armbänder und Spiele. Auch frisches Obst kommt an dem Sommertag gut an. Mit dem ungewöhnlichen Angebot wolle die Kirche für etwas Entspannung bei gestressten Urlaubern sorgen, erläutert die Initiatorin der ungewöhnlichen Aktion, Pfarrerin Nadine Kempf (Freiburg): „Wer mag, darf sich auch segnen lassen.“

Das Segnen sei eine Stärkung für die Reise und zugleich etwas Urchristliches, sagt Kempf. Dies könne ein guter Wunsch oder Zuspruch sein, stärkend und mutmachend. „Wir sind nicht alleine. Da ist jemand, der uns schützt im Urlaub und auch im Alltag.“ Jede und jeder könne sich segnen lassen, egal ob gläubig oder nicht, betont sie.

Solche Formate sollte die Kirche viel öfter ausprobieren, findet Pfarrerin Anne Lepper. „Die Kirche muss stärker raus auf die Straße und zu den Menschen.“ Schließlich habe auch Jesus nicht nur in der Synagoge gepredigt, sagt die landeskirchliche Leiterin der Fachstelle „Ehrenamt und Kirche in neuen Formen“.

Die zweitägige Aktion mit rund 15 Pfarrerinnen und Pfarrern, Diakonen und Ehrenamtlichen sollte Samstag ab 6 Uhr fortgeführt werden. Auch kleine, selbst gebastelte Schutzengel sind gefragt und treten eine Reise in den Süden an. Sie begleiten etwa eine holländische Familie bis nach Spanien. Andere fahren nach Frankreich, die Schweiz oder Italien.

Mit dabei ist auch Plüschhummel Joy. Das Maskottchen der Kirche im Europapark Rust vereint eine Hummel und einen Engel. Es ist besonders bei den Kleinsten beliebt. Eine Ehrenamtliche verteilt Glitzer auf die Hand eines kleinen Jungen, der vorsichtig das rote Herz auf der Brust des Maskottchens streichelt.

„Mein Wunsch ist, dass Menschen mit einem Lächeln im Gesicht weiterfahren“, sagt Pfarrerin Kempf. Der kleine Junge winkt zum Abschied, sein Vater nimmt noch einen Espresso, bevor die Fahrt – mit einem Lächeln im Gesicht – weitergeht. (1703/27.07.2024)