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“Solingen-Effekt” – Mehr Anfragen bei Extremismus-Beratungsstellen

Islamistische Organisationen wie die Hamas oder der IS setzen stark auf Emotionen, um junge Menschen für sich zu gewinnen. Bestimmte Äußerungen sollten aufhorchen lassen, rät ein Extremismus-Experte.

Nach dem Anschlag in Solingen verzeichnen Beratungsstellen gegen Extremismus mehr Anfragen. Angesichts solcher öffentlichen Debatten steige stets die Bereitschaft, auf Warnzeichen zu achten und Hilfe zu suchen, sagte der Geschäftsführer von “Violence Prevention Network”, Thomas Mücke, am Donnerstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die gemeinnützige Organisation unterhält mehrere regionale und eine bundesweite Beratungshotline zu Extremismus.

Zumeist seien es Eltern, die eine schlagartige Veränderung bei ihren Kindern bemerkten, erklärte der Experte. Auffällig sei zudem, dass zwei Drittel der Fälle sehr junge Menschen beträfen. Als “Mobilisierungsthema” lasse sich weiterhin der Konflikt im Nahen Osten ausmachen: Seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hätten sich die hilfesuchenden Anrufe vervierfacht.

Terrororganisationen wollten die westlichen Demokratien destabilisieren, sagte Mücke. “Das hat wenig mit dem Thema Migration zu tun.” Zwar gebe es auch einzelne Anfragen aus Flüchtlingsunterkünften; insgesamt sei das Rekrutierungssystem der Terroristen jedoch breit gefächert.

Dabei werde stark auf Emotionen gesetzt. “Eltern berichten von plötzlichem Interesse am Krieg in Gaza. Das erinnert mich an 2013/14, damals ging es um den Syrien-Krieg”, so der Experte. Wachsam sein sollte das soziale Umfeld vor allem bei Pauschalisierungen wie “Muslime werden weltweit verfolgt, wir können ihr Leid nicht länger mitansehen”. Diese “Opferrolle” sei typisch, erklärte Mücke.

Auf solche Signale zu achten, sei nicht nur im Umfeld einzelner terroristischer Vorfälle sinnvoll. “Wir prüfen jeden Einzelfall genau, haben ein sehr breites Angebot an Beratungsformen.” Ein Gespräch könne auch für Klarheit sorgen, wenn ein junger Mensch sich ungewöhnlich, aber unproblematisch verhalte. Der Rat des Fachmanns: “Im Zweifel lieber einmal zu oft zum Telefonhörer greifen als einmal zu wenig.”