Kirchenkreis und Bezirk Berlin-Reinickendorf sanieren Wohnraum für Flüchtlingsfamilien.
Von Marina Mai
Es war im Sommer 2015. Die Flüchtlingskrise hatte die Mitte Europas erreicht. „Da haben wir uns im Gemeindekirchenrat gesagt, es nützt nichts, immer nur zu reden. Wir müssen auch mal etwas tun“, sagt Jürgen Gutheil, Vorsitzender des Gemeindekirchenrates Lübars. Zufällig wurde zu diesem Zeitpunkt die Dachwohnung im Pfarrhaus frei. „Da wollten wir wenigstens einer Flüchtlingsfamilie helfen, aus den beengten Verhältnissen im Flüchtlingsheim herauszukommen“, so Gutheil.Frau I. aus Tschetschenien durfte mit ihren vier Kindern im Frühjahr in die Wohnung ziehen. Im Flüchtlingsheim mussten sie sich schon länger als ein Jahr ein einziges Zimmer teilen. Küche und Sanitärräume gab es auf dem Gang, gemeinsam mit anderen Familien. „Jetzt haben wir vier Zimmer und fühlen uns alle besser“, sagt die Tschetschenin. „Die Kinder können in der Wohnung spielen. Oder im Garten.“ Sie hätten sich schnell mit den Kindern von Pfarrerin Ute Sauerbrey angefreundet, erzählt die Mutter. Bald wird ihre Tochter zusammen mit einem Kind der Pfarrerin eingeschult, sagt sie freudig. Rund 40000 Asylbewerber sowie mindestens 3000 anerkannte Asylberechtigte leben im Land Berlin in Sammelunterkünften mit minimaler Wohnfläche oder in Turnhallen. Der Senat hat 2011 mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften vereinbart, dass diese 275 Wohnungen pro Jahr Asylbewerbern zur Verfügung stellen. 2015 wurde diese Zahl auf 550 verdoppelt – ohne zusätzliches privates Engagement ist die Wohnungsnot jedoch kaum zu lösen. Aus diesem Grund haben der Integrationsbeauftragte von Reinickendorf, Oliver Rabitsch, und Beate Hornschuh-Böhm, Superintendentin des Kirchenkreis Reinickendorf, um privates Engagement geworben. „better place – Wohnraum schaffen für Menschen in prekären Lebenssituationen“ heißt das Projekt von Bezirk und Kirchenkreis, das seit gut einem Jahr zwölf Reinickendorfer Wohnungen von Kirchengemeinden und Gemeindegliedern zur Verfügung stellte. Zwei davon befinden sich in Pfarrhäusern.Rebecca de Vries, die kreiskirchliche Flüchtlingsbeauftragte, hat aus dem Projekt gemeinsam mit dem Bezirk ein weiteres entwickelt. „Wir gewinnen Wohnraum von Privatpersonen für Flüchtlinge“, sagt sie. Das seien etwa Untermietzimmer oder Kellerwohnungen, die bisher nicht vermietet wurden, jetzt aber gebraucht werden. „Wir ermutigen die Vermieter, nehmen ihnen Ängste, bringen sie mit möglichen Mietern zusammen und helfen bei der Bürokratie.“ Bisher wurden zwei Untermietzimmer und sechs Wohnungen vermittelt. Im Rahmen des Projektes „better place“ werden die Wohnungen von ehrenamtlichen Helfern oft mit Hilfe der Flüchtlingsfamilien renoviert. „Das ist auch ein Stück Bildungsarbeit“, sagt Ute Mai, Projektleiterin im Verein „Baufachfrauen“. Und dann wird die Wohnung zu angemessenen Mietpreisen zur Verfügung gestellt. Von dem Verein „Baufachfrauen“, der von der Senatsverwaltung für Frauen finanziert wird, werden die Sanierungsarbeiten koordiniert. Die „Baufachfragen“ liefern das fachliche Sanierungs-Know-How. Der Bezirk hat außerdem Spenden akquiriert. „Ich bin beeindruckt von dem Engagement der Kirche“, freut sich Oliver Rabitsch. „Die Kirche erreicht viele Menschen.“ Der Reinickendorfer Integrationsbeauftragte schwärmt von einem handwerklich begabten Mann, der spontan als Bauleiter aushalf. Andere Gemeindeglieder hätten Spenden von Baumärkten akquiriert. „Leider konnten wir nicht jede angebotene Wohnung in Ordnung bringen, weil das nicht immer finanzierbar war.“ Die Wohnung der Familie I. in Lübars wurde über das Projekt „better place“ saniert. Die neuen sanitären Einrichtungen finanzierte die Gemeinde. Bei allen anderen Arbeiten gab es Unterstützung durch die „Baufachfrauen“.Seit sie in ihrer eigenen Wohnung in Lübars lebt, hat Frau I. einen ruhigeren Alltag. „Früher musste ich mit meinem jüngsten Kind auf dem Arm kochen, damit es nicht aus der Gemeinschaftsküche wegläuft. Jetzt mache ich einfach die Wohnungstür hinter uns zu.“ Und der mühselige Transport der Töpfe, Pfannen und des Essens vom Zimmer in die weit entfernte Gemeinschaftsküche falle weg.Die erste über das Projekt vermittelte Flüchtlingsfamilie stammt aus Turkmenistan und wohnt seit etwa einem Jahr im Pfarrhaus der Berliner Hoffnungskirchengemeinde Neu-Tegel. Pfarrer Jörg Egbert Vogel erinnert sich: „Sie waren überglücklich, als sie hierher zogen. Für sie hatte die eigene Wohnung etwas vom Angekommen-Sein in Deutschland.“ Seine neuen Nachbarn, Zarima und Timur, haben inzwischen Asyl in Deutschland bekommen. Vogel beschreibt sie als freundliche Nachbarn. „Sie nehmen Pakete für mich an, wenn ich nicht da bin. Und die Tochter besucht die Gemeindekita. Das ist ein Stück Teilhabe, das wir anbieten konnten.“ In Neu-Tegel – wie in Lübars – hatte der GKR die Vermietung der freien Wohnung im Pfarrhaus an eine Flüchtlingsfamilie initiiert.Auch hier musste die Wohnung aufwändig saniert werden, bevor die neuen Mieter einziehen konnten. Viele Helfer waren gekommen. „Das waren neben der Familie selbst Helfer aus dem persönlichen Umfeld, aus den Kirchengemeinden und dem bezirklichen Flüchtlingsnetzwerk“, erinnert sich Projektleiterin und Baufachfrau Ute Mai. Die hätten dann zusammen die alte Tapete abgespachtelt, verputzt, einen Fußboden verlegt und eine Küchenzeile montiert.
Kontakt:?Integrationsbeauftragter des Bezirks ReinickendorfOliver RabitschTelefon:?(030)902944125E-Mail:?oliver.rabitsch@reinickendorf.berlin.de