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SH: Beratungen zu Diskriminierungen gehen nach Corona zurück

Die Antidiskriminierungsstelle des Landes Schleswig-Holstein hat 2023 und 2024 einen Rückgang an Beratungen verzeichnet. Insgesamt waren es 459 Vorgänge und damit rund 200 weniger als in den Jahren 2021 und 2022, wie die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, Samiah El Samadoni, am Donnerstag in Kiel mitteilte. Der Rückgang sei mit dem Wegfall der Beratungen etwa zur Maskenpflicht in der Coronakrise zu begründen. Im Vergleich zu den Jahren vor der Pandemie sei der Beratungsbedarf aber gestiegen. Schwerpunkte seien weiterhin Benachteiligungen aufgrund einer Behinderung, der ethnischen Herkunft und des Geschlechts.

63 Fälle betrafen Diskriminierung im Arbeitsleben. Besonders Frauen meldeten sich, denen in Bewerbungsgesprächen unerlaubt Fragen zu Schwangerschaften und Kinderwunsch gestellt würden. Zunehmend seien aber auch Männer betroffen. So habe eine Bar in einer Stellenausschreibung ausdrücklich eine weibliche Servicekraft gesucht. Ein männlicher Erzieher in einer Kita sei wegen seines Geschlechts von seinen Kolleginnen gemobbt worden. Einem anderen Erzieher sei von Eltern grundlos Pädophilie unterstellt worden.

Die meisten Fälle, die an die Beratungsstelle herangetragen wurden, konnten durch Gespräche mit allen Beteiligten gelöst werden, sagte El Samadoni. Nur wenige endeten vor Gericht. Dazu gehörte ein Fall von Antiziganismus. Die Co-Vorsitzende der Bundesvereinigung der Sinti und Roma, Kelly Laubinger, wollte den Angaben zufolge im Oktober 2024 ein Zimmer für einen Schriftsteller buchen. Das Hotel lehnte ab mit der Begründung, schlechte Erfahrungen mit dem Namen Laubinger gemacht zu haben. Laubinger bekam vor Gericht Recht und der Hotelbetreiber musste 1.000 Euro Strafe zahlen.

El Samadoni sprach von einem besorgniserregenden Rechtsruck in der Gesellschaft, der sich auch in den Beratungen deutlich zeige. „Teilweise erleben wir eine sprachliche Verrohung, bei der sich Personen menschenverachtende Verhaltensweisen herausnehmen.“ Es sei erschreckend, mit welcher Fröhlichkeit etwa junge Menschen zu Pfingsten 2024 auf Sylt ausländerfeindliche Liedtexte sangen. „Solche Menschen müssen auf ihr Verhalten angesprochen werden, wir dürfen das nicht einfach hinnehmen. Zivilcourage ist wichtger denn je“, sagte El Samadoni.

Sie sprach sich zudem erneut für eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) aus, das seit 2006 besteht. Das AGG schützt Träger bestimmter personenbezogener Merkmale im Arbeitsleben und bei bestimmten Rechtsgeschäften im Alltag vor Benachteiligungen.

Für kleinere Vereine gilt das AGG aber nicht und sei damit auf viele Fälle von Diskriminierung nicht anwendbar. Immer wieder komme es etwa bei der Vergabe von Kleingartenparzellen zu Problemen. El Samadoni schilderte den Fall, wo einem Syrer eine Parzelle in einem Kleingarten verwehrt blieb, weil er dem Obmann den Übernahmevertrag nicht in einwandfreiem Deutsch vorlesen konnte. Altersgrenzen für Schiedsrichter etwa würden oft von Vereinen willkürlich festgelegt. El Samadoni warb dafür, das AGG deshalb auf das Vereinsrecht auszudehnen.

Seit der Einrichtung der Antidiskriminierungsstelle des Landes im Jahr 2013 wurden zum Stichtag 31. Dezember 2024 insgesamt 2.629 Petitionen bearbeitet. Beratungen sind telefonisch von Montag bis Freitag zwischen 9 und 15 Uhr und mittwochs bis 18.30 Uhr unter der Rufnummer 0431/988 1240 möglich.