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Seepferdchen sind wundersam und hinreißend – und gefährdet

In freier Wildbahn begegnet man ihnen selten. Als Aufnäher zieren sie dafür Kinder-Badeanzüge und als Deko-Figur manche Gärten. Viele Menschen mögen Seepferdchen – obwohl kaum jemand weiß, zu welcher Spezies sie gehören.

Ein Hauch der Unterwasserwelt: Seepferdchen-Figuren gibt es als Blumendeko, als Laterne oder als Geschirr-Aufdruck. Im Alltag erinnern die Meeresbewohner an den Urlaub, ihr elfengleiches Äußeres und ihre scheinbar schwebende Schwimmbewegung regen zum Träumen an. Stolz tragen Kinder das Seespferdchen-Emblem auf ihrer Badekleidung, nachdem sie das entsprechende Schwimmabzeichen geschafft haben. Wer indes ein lebendes Seepferdchen am Meeressaum findet, soll dies laut Tierschützern den Behörden melden und das Tier wieder ins Wasser bringen.

Seit einigen Jahren tauchen Seepferdchen zunehmend, wenn auch immer noch selten am Wattenmeer auf; die Ursachen sind noch unbekannt. Ebenso ist dem Tier kaum anzusehen, dass es sich um einen Fisch handelt; einen Knochenfisch, genauer gesagt. Allerdings erkennen auch viele Raubfische das Seepferdchen nicht als Beutefisch, schreibt die Umweltschutzorganisation BUND. Gefahr gehe für sie vielmehr vom Menschen aus.

Vor sieben Jahren ging ein Foto um die Welt: Seepferdchen greifen mit ihren Schwänzen nach Seegras und anderen Objekten, die im Wasser treiben – Justin Hofman fotografierte Tiere, die Wattestäbchen umklammern. Bilder, von denen er wünschte, dass sie nicht existieren würden, erklärte er seinerzeit; vielen Betrachtern dürfte es ähnlich gehen.

Jedoch blieben die Bilder nicht ohne Wirkung: In der Europäischen Union darf inzwischen kein Einwegplastik mehr produziert werden; Wattestäbchen wie auf Hofmans Bild kommen nicht mehr in den Handel. “Ein Seepferdchen brachte uns dazu, unsere Gesetze zu ändern”, schreibt Andrea Grill in ihrem Buch über Seepferdchen. “Auf Umwegen und ohne es zu beabsichtigen, indem es tat, was es eben tut: Es ließ sich treiben. Nur diesmal haben wir ihm dabei zugesehen.”

Grill ist Evolutionsbiologin und Schriftstellerin. Sie beleuchtet den Mythos von lebenslang treuen Seepferdchen: Nach neuesten Erkenntnissen hängt dieses Verhalten auch von der Gelegenheit ab, eventuell doch einen anderen Partner zu finden. Grill beschreibt die klickenden und knurrenden Geräusche, mit denen Seepferdchen kommunizieren, und sie erinnert an Zugtiere, die in der Mythologie etwa die Kutsche des Meeresgottes Poseidon ziehen: halb Fisch, halb Pferd.

Vielleicht, schreibt Grill, seien Seepferdchen auch “Wegweiser, die uns helfen, die Meere besser zu verstehen und so mit ihnen umzugehen, dass Fische unversehrt ihrer Wege schwimmen können”. Das wäre im Sinne des Tags der Fische, der am 22. August stattfindet. Laut Bundeslandwirtschaftsministerium soll er auf den Schutz bedrohter Arten aufmerksam machen. Besonders starke Auswirkungen auf den Fischbestand haben demnach die Überfischung der Meere, die Flussverbauungen und die Schadstoffbelastung.

Noch immer seien zu wenige Schutzgebiete mit Seegrasbeständen ausgewiesen, kritisiert der BUND. Zwar seien Seepferdchen seit 2012 geschützt. Doch sie landeten weiterhin als Beifang in Fischernetzen, würden – tot und getrocknet – als Souvenirs verkauft. In Südostasien sei weiterhin der Glaube an eine medizinische Wunderwirkung der Tiere verbreitet, dem etwa 30 Millionen Seepferdchen pro Jahr zum Opfer fielen.

Immerhin werden laut WWF immer noch neue Arten entdeckt, zuletzt etwa das Zwergseepferdchen. Insgesamt sind mehr als 50 Arten bekannt; zwei von ihnen kommen auch in der Nordsee vor. Der Trend sei jedoch “bei den meisten Arten abnehmend”. Fachleute warnen zudem, dass sich die wundersamen Wesen nicht für die Haltung im heimischen Aquarium eignen: Salzwasserbedingungen sind dort schwer herzustellen, und in Gefangenschaft überleben sie meist nur kurz.

Fische seien dem Menschen nah, schreibt Andrea Grill – “in erster Linie als Speise”. Für ihre Recherchen hat sie auch versucht, Seepferdchen in der Natur zu begegnen. Sie wenden sich einem stets mit der schmalen Seite zu, so der Tipp, den sie von einem Biologen bekommen hat. Es sei überraschend, wie klein und zart sie seien, und oft schauten sie einen direkt an. Auch ein Hinweis des WWF mag für gestresste Menschen verlockend-vorbildlich klingen: “Junge Seepferdchen lassen sich mit den Meeresströmungen verdriften.”