Wegen Vorwürfen sexueller Übergriffe lässt ein hochrangiger katholischer Geistlicher in der Schweiz sein Amt vorläufig ruhen. Wie das Portal kath.ch am Mittwoch berichtet, will Jean Cesar Scarcella, Leiter der Abtei Saint-Maurice im Kanton Wallis, so die Unabhängigkeit einer entsprechenden kirchlichen Voruntersuchung sicherstellen. Einem vom Vatikan eingesetzten Sonderermittler, dem Churer Bischof Joseph Bonnemain, sicherte Scarcella seine “volle Kooperation” zu.
Dem 71-Jährigen, einem Mitglied der Schweizer Bischofskonferenz, wird laut einem Bericht der Zeitung “Sonntagsblick” vorgeworfen, einen Jugendlichen sexuell belästigt zu haben. Das mutmaßliche Opfer soll sich den Angaben zufolge mit einem Brief an Papst Franziskus gewandt haben. Auch bei der Schweizer Polizei wurde demnach Anzeige gegen Scarcella erstattet.
Wie bereits am Wochenende bekannt wurde, ermittelt der Vatikan derzeit gegen mehrere amtierende und emeritierte Schweizer Bischöfe sowie weitere Kleriker wegen des Umgangs mit sexuellem Missbrauch. Den Geistlichen wird in der Hauptsache Vertuschung von Missbrauchsfällen vorgeworfen; gegen einzelne Beschuldigte steht der Vorwurf im Raum, selbst sexuelle Übergriffe begangen zu haben.
Im Juni leitete die vatikanische Bischofsbehörde auf Initiative der päpstlichen Nuntiatur in der Schweiz eine kirchenrechtliche Voruntersuchung ein und setzte Bischof Bonnemain als Untersuchungsleiter ein. Für alle Beschuldigten gilt einstweilen die Unschuldsvermutung. Die Ergebnisse der Untersuchung sollen bis Jahresende vorliegen.
Eine am Dienstag veröffentlichte Studie der Universität Zürich im Auftrag der Kirche ermittelte mindestens 921 Opfer sexuellen Missbrauch im Umfeld der katholischen Kirche der Schweiz. Identifiziert wurden seit Mitte des 20. Jahrhunderts 1.002 Fälle und 510 Beschuldigte. Die Verfasser der Studie sehen darin jedoch nur “die Spitze des Eisbergs”. So konnten zahlreiche Aktenbestände, etwa von katholischen Schulen und Heimen, noch nicht ausgewertet werden.