Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) muss kommendes Jahr voraussichtlich mit weniger Geld auskommen: Für den Etat ihres Hauses sind Einsparungen von knapp einer Milliarde Euro vorgesehen. Folgen könnte dies etwa für die Hilfe bei akuten Krisen haben, sagte Schulze dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es werde weniger Mittel geben, um kurzfristig zu reagieren. Auf Einschnitte müssen sich laut der Ministerin auch deutsche Hilfsorganisationen einstellen.
epd: Frau Schulze, Ihr Ministerium hat 2025 voraussichtlich rund 10,3 Milliarden Euro zur Verfügung – knapp eine Milliarde Euro weniger als dieses Jahr. Wo müssen Sie den Rotstift ansetzen?
Svenja Schulze: Es wird weniger Mittel geben, um kurzfristig auf Krisen zu reagieren. Das liegt daran, dass der größte Teil meines Etats für 2025 fest verplant ist mit langfristigen Vereinbarungen mit Partnerländern. Deshalb kann ich nur bei den kurzfristigen Ausgaben sparen. Vorerst können wir uns außerdem nicht mehr so stark an der Finanzierung multilateraler Initiativen beteiligen.
epd: An was für Initiativen denken Sie?
Schulze: Zum Beispiel an den internationalen Pandemie-Fonds. Dieses Jahr können wir den noch mitfinanzieren, aber 2025 ist dafür im Haushalt des Entwicklungsministeriums kein Geld da. Das ist hart. Denn wir alle wissen, dass die nächste Pandemie kommen wird. Trotzdem werden wir ein wichtiger Partner der Länder des Globalen Südens bleiben. Mit den 10,3 Milliarden Euro engagiert sich Deutschland wieder auf dem Niveau wie vor der Corona-Pandemie – es gibt allerdings inzwischen mehr Problemlagen.
epd: In Pakistan hat die Bundesregierung nach der Jahrhundertflut 2022 beim Wiederaufbau geholfen. Sind solche Hilfen in Zukunft noch möglich?
Schulze: Wir können Hilfe bei akuten Krisen nicht mehr im bisherigen Umfang kurzfristig aus dem Etat des Entwicklungsministeriums finanzieren. Ich müsste dann zusätzliches Geld bei Finanzminister Christian Lindner (FDP) beantragen auf dieses Vorgehen haben wir uns im Kabinett auch verständigt.
epd: Viele deutsche Hilfswerke erhalten auch Geld aus Ihrem Haus. Muss sich die Zivilgesellschaft auf Einschnitte einstellen?
Schulze: In den bisherigen Kürzungsrunden konnten wir sie größtenteils ausnehmen. Aber jetzt müssen sich auch die deutschen Hilfsorganisationen auf Einschnitte einstellen. Das schmerzt, weil Hilfsorganisationen und kirchliche Hilfswerke für die Entwicklungszusammenarbeit wichtig sind. Gerade in Ländern mit autokratischen Regierungen können sie die Menschen oft noch erreichen, wo staatliche Zusammenarbeit schon nicht mehr möglich ist. Da geht viel verloren.
epd: Über wie viel Geld reden wir?
Schulze: Die Mittel aus dem Entwicklungsministerium für die Zivilgesellschaft werden 2025 voraussichtlich um rund vier Prozent gekürzt. Darüber hinaus werden auch die Kürzungen in anderen Bereichen, wie bei der Krisenbewältigung, Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft haben.
epd: Ein Land, in dem die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in Zukunft weniger präsent sein wird, ist Afghanistan. Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zieht sich ab 2025 aus dem Land zurück. Lässt die Bundesregierung die Bevölkerung jetzt im Stich?
Schulze: Nein, wir bleiben engagiert für die Menschen in Afghanistan, denn die Not ist nach wie vor groß. Wir ändern lediglich die Methode der Projektsteuerung, sodass wir kein eigenes GIZ-Personal vor Ort mehr brauchen. Mit den Taliban arbeiten wir sowieso nicht zusammen. Die Projekte setzen wir mit Nichtregierungsorganisationen oder den UN-Hilfswerken um, vor allem mit Unicef und dem Welternährungsprogramm. Die können die Menschen, gerade die Frauen und Mädchen vor Ort, noch erreichen.
epd: Sollen mit dem Rückzug Kosten gespart werden?
Schulze: Nein, es geht nur um die Frage, welche Art der Steuerung in einem herausfordernden Kontext wie Afghanistan sinnvoll ist. Die Erfahrung in anderen Krisenkontexten zeigt, dass das auch ohne eigene Präsenz vor Ort funktionieren kann.
epd: Lässt sich denn verhindern, dass deutsches Geld in die Hände der Taliban kommt, wenn die GIZ nicht mehr mit eigenen Beschäftigten vor Ort ist?
Schulze: Ja, das geht. Am Ende sehen wir immer, ob das Geld ankommt: Können die Landwirtinnen und Landwirte mehr Lebensmittel anpflanzen? Sind Bewässerungssysteme vorhanden? Das lässt sich bei Reisen oder Kontrollen nachweisen.
epd: Derzeit sind noch etwa 160 afghanische Beschäftigte für die GIZ im Land tätig. Erhalten sie die Möglichkeit, nach Deutschland zu kommen?
Schulze: Das ist nicht geplant. Die GIZ bietet ihren Beschäftigten vor Ort umfangreiche Unterstützung an. Dazu gehört auch, dass sie Beschäftigte an andere Projektträger vermittelt, die im Land tätig sind.
epd: Zurück nach Deutschland: Am Beispiel von in Peru mit deutschem Geld finanzierten Radwegen wurde die Arbeit Ihres Hauses zuletzt öffentlich infrage gestellt. Sie haben eine Diffamierung der Entwicklungspolitik beklagt. Woran liegt das?
Schulze: In unserer Gesellschaft ist der falsche Eindruck entstanden, dass das Geld so knapp geworden ist, dass wir nichts mehr abgeben können. Der Gedanke der Solidarität, dass man Menschen nicht einfach verhungern lässt, reicht vielen nicht mehr als Argument. Ich würde mir wünschen, dass man wahrnimmt, wie stark Deutschland vernetzt ist. Es ist ein fataler Irrtum zu glauben, Deutschland könnte seinen Wohlstand erhalten, indem es sich ins Schneckenhaus zurückzieht. Wir sind ein Exportland und leben zugleich auch vom Import von Produkten aus anderen Ländern. Man kann morgens nicht frühstücken, ohne mit der Welt vernetzt zu sein. In Deutschland wächst kein Kaffee – und auch kein Tee oder Kakao.
epd: Sie betonen immer wieder, dass Entwicklungszusammenarbeit auch dem deutschen Interesse dient. Wollen Sie ihre Politik stärker an nationalen Interessen ausrichten, etwa bei der Rekrutierung von Fachkräften im Ausland?
Schulze: Es ist nicht so, dass ich meine Politik rein auf wirtschaftliche Interessen ausrichte und sage: Hunger und Armut sind mir egal, Hauptsache deutsche Firmen gewinnen. Wir engagieren uns für den Klimaschutz, wollen Gesundheitssysteme in den Ländern aufbauen, um Pandemien zu verhindern. Und wir versuchen, Regionen in unserer Nachbarschaft sicherer zu machen, damit Menschen in ihrer Heimat bleiben können. Trotzdem kann man auch schauen, was man für das Fachkräftethema tun kann.
epd: Aber werden gut ausgebildete Menschen nicht in ihren Heimatländern gebraucht?
Schulze: Wir achten darauf, dass wir nicht gezielt um die Arbeitskräfte in den Branchen werben, die in den Ländern selbst gebraucht werden. Welche das sind, wissen die Regierungen unserer Partnerländer selbst am besten. In Ghana beispielsweise arbeiten wir daher eng mit dem dortigen Arbeitsministerium zusammen und haben auch vereinbart, nicht um Pflegerinnen und Pfleger zu werben, weil es dort selbst einen Mangel gibt.