ROM – Eine unerwartet aktuelle Dimension hat der Ökumenebeschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils in diesen Wochen durch eine Äußerung des Papstes erhalten: Er halte es für grundlegend, „dass die katholische Kirche mutig eine aufmerksame und ehrliche Neubewertung der Absichten der Reformation und der Person Martin Luthers unternimmt“, heißt es in seinem Redemanuskript für einen Besuch in der deutschsprachigen lutherischen Gemeinde in Rom. Franziskus hatte die von der Vatikanzeitung „Osservatore Romano“ veröffentlichte Ansprache dort ursprünglich verlesen wollen, dann jedoch eine freie Rede gehalten.
Katholiken hätten die gleiche Taufe erhalten wie Protestanten, so der Papst. Die Entstehung der evangelischen Gemeinschaft sollten sie vor dem Hintergrund einer „Ecclesia semper reformanda“, einer stets zu reformierenden Kirche sehen, fordert er. Dies folge auch der „großen Spur“ des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965), mit dem sich die katholische Kirche für die moderne Welt geöffnet habe.
Weiter ermuntert Franziskus in dem Redemanuskript Lutheraner und Katholiken, ihr theologisches Gespräch fortzusetzen. „Nach fünfzig Jahren ökumenischen Dialogs zeigen uns die erreichten Bemühungen, dass all das, was uns verbindet, schon viel mehr ist als das, was uns noch trennt.“ Mit der richtigen Zuversicht in diesen Dialog könnten auch die Fragen nach dem Verständnis von Kirche, Eucharistie und Amt angegangen werden. In seiner freien Rede in der evangelischen Gemeinde in Rom ging Franziskus noch weiter: „Sprechen Sie mit dem Herrn und schreiten Sie voran“, sagte er auf die Frage, ob der evangelische Ehepartner eines katholischen Christen auch im katholischen Gottesdienst zur Kommunion gehen darf.
Besonders diese Aussage hat zu Diskussionen geführt. Und zu unterschiedlichen Bewertungen: Während der Leiter des katholischen Johann-Adam-Möhler-Instituts für Ökumene in Paderborn, Wolfgang Thönissen, darin keine grundlegenden Neuerungen sieht, sondern lediglich eine Erinnerung an das Ökumenismusdekret des Zweiten Vatikanischen Konzils, wertet Paul Metzger, Ökumene-Experte des evangelischen Konfessionskundlichen Instituts in Bensheim, die Aussagen des Papstes als Fortschritt in Richtung auf ein gemeinsames Abendmahl. Danach sei die Selbstprüfung des Einzelnen für die Abendmahlsteilnahme in Ausnahmefällen das entscheidende Kriterium und nicht der Gehorsam gegenüber der kirchlichen Lehre.
„Der lange schon geforderten eucharistischen Gastfreundschaft ist damit auf der Ebene persönlicher Entscheidung die Tür weit geöffnet worden“, folgerte der Theologe. Bei dem Besuch in der lutherischen Gemeinde habe der Papst bestätigt, dass die Taufe als das „sakramentale Band der Einheit“ als Voraussetzung für die gegenseitige Gastfreundschaft bei der Mahlfeier ausreiche. KNA/epd/UK
Artikel teilen