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„Sagen Sie Hitler, es reiche nun …!“

Vor 70 Jahren: Am 4. Januar 1944 wurde Pfarrer Kaj Munk ermordet. Der Märtyrer ist bis heute ein Symbol dänischen Widerstandes.

Von Hartmut Ludwig

Während der Neujahrspredigt 1944 in der St. Sebastianskirche in Vedersø nahe der Nordsee, im sogenannten Jütland, stand Pfarrer Kaj Munk ohne Talar, nur im Mantel mit rotem Schal, an der Treppe zur Kanzel, nicht auf ihr, und redete der Gemeinde ins Gewissen: „Tiefe Sorge und großer Schmerz erfüllen mich. In letzter Zeit geht ein tiefer Riss durch den guten nationalen Konsens unserer Gemeinde. Menschen, die das nicht nötig hätten, haben sich in den Dienst der Deutschen gestellt. Das muss im Namen der Wahrheit getadelt werden in dieser Kirche.“ Vier Tage später erschienen am Abend im Pfarrhaus SS-Leute aus Berlin, verhafteten Munk auf Befehl Hitlers und erschossen ihn in einem abgelegenen Wald. Mit dem Mord sollte die Stimme des Protestes zum Schweigen gebracht und der dänische Widerstand entscheidend geschwächt werden. Dänische Zeitungen durften darüber nur wenige Zeilen bringen. Trotzdem kamen zur Beerdigung einige Tausend aus allen Teilen des Landes. Wer war Kaj Munk? Geboren wurde er als Kaj Petersen am 13. Januar 1898 in Maribo. Seine Eltern starben, als er noch sehr jung war. Verwandte der Mutter nahmen ihn 1903 auf und adoptierten ihn später. Der Einfluss der dänischen Erweckungsbewegung seiner Pflegeeltern prägte ihn nachhaltig. Mit sieben Jahren gewann er bei einem Lesewettbewerb eine Bilderbibel. Die Begegnung mit Jesus wurde für ihn die entscheidende Kindheitserfahrung. Sein Lehrer Martinus Wested und Pastor Oscar Geismar förderten seine Liebe zur Dichtung.1917 bis 1924 studierte er Theologie in Kopenhagen. Søren Kierkegaards Kritik an der dänischen Volkskirche ließ ihn zweifeln, ob er Pfarrer werden könne. Viel lieber wäre er Dichter und Schriftsteller geworden. Am 1. Juni 1924 wurde er in sein Amt in Vedersø an der Nordsee eingeführt. Zwanzig Jahre blieb er Pfarrer und Seelsorger dieser Dorfgemeinde. 1929 heiratete er Elise Jørgensen. Sie bekamen fünf Kinder. Kaj Munk liebte Deutschland und bewunderte dessen kulturelle Tradition. 1931 bewarb er sich um die Pfarrstelle der dänischen Gemeinde in Berlin – vergeblich. Theologisch orientierte er sich an der Tradition der lutherischen Staatskirche und dem dänischen Theologen Grundtvig. Er predigte erbaulich und volksnah und war einer der bekanntesten Dichter Dänemarks. Sein Werk umfasste Lyrik, Erzählungen, Balladen, Schauspiele, Dramen, Kirchenlieder, Aufsätze, Predigtbände, Kommentare zum Zeitgeschehen in den größten Zeitungen und eine Autobiografie. (…)

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