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Rushdie bei Buchmesse: Jeder muss über Alles schreiben können

Seit dem Messerangriff auf ihn im Sommer 2022 hat der von Islamisten bedrohte Autor Salman Rushdie nur wenige Auftritte absolviert. Nun kam der designierte Friedenspreisträger zur Buchmesse – zu einem Pressegespräch.

Schon eine dreiviertel Stunde vor Beginn der Pressekonferenz haben rund 30 Fotografen und Kameraleute Aufstellung genommen. Im Saal “Illusion” der Messe Frankfurt stehen sie in einer Phalanx fünf Meter vor dem Podium – für das beste Bild von Salman Rushdie. Dann ist es wie so oft bei berühmten Leuten: Der 76-jährige Mann mit der Augenklappe ist kleiner als gedacht. Von vielen der insgesamt rund 100 Medienvertreter wird er mit Applaus begrüßt.

Im August 2022 war der von Islamisten bedrohte Schriftsteller in den USA auf offener Bühne mit einem Messer angegriffen worden. Rushdie ist seitdem auf dem rechten Auge blind. Seit dem Attentat hat er nur wenige öffentliche Auftritte wahrgenommen. Das Pressegespräch fand unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen statt. Es sei ein “schwieriges Jahr” für ihn gewesen, sein Gesundheitszustand sei jedoch einigermaßen gut, sagte der indisch-britische Autor mit fester Stimme.

Rushdie hat bereits ein Buch über die Folgen des Attentats angekündigt. Es soll im April erscheinen und trägt den Titel “Knife. Gedanken nach einem Mordversuch”. Am Freitag zeigte Rushdie aber auch, dass er seinen Sinn für Humor nicht verloren hat. Auf die Frage, warum es ihm wichtig gewesen sei, dieses Buch zu schreiben, sagte Rushdie: “Nun, es schien mir ein wichtiges Thema zu sein.” Und lachte. Dann wurde er ernst: “Es war unmöglich, etwas Anderes zu schreiben, das wäre absurd gewesen.” Erst vor zehn Tagen habe er das Buch fertiggestellt.

Viele Journalistenfragen drehten sich um den eskalierenden Krieg in Nahost, etwa: “Haben Sie noch Hoffnung für die Welt?” Rushdie sagte, er sei ein unverbesserlicher Optimist. “Schreiben ist eine Art von Optimismus.”

Dies gelte, obwohl die Lage derzeit ziemlich “finster” sei. Er sei voller Entsetzen über das, was die islamistische Hamas Israel angetan habe, aber auch sehr besorgt darüber, wie Israel nun reagieren könnte. “Ich bin gegen Krieg”, betonte Rushdie. Immer kämen dabei unschuldige Menschen ums Leben, “und die Wahrheit ist sofort ein Opfer”. Demokratische Idee hätten derzeit einen schweren Stand. “Für die Demokratie sind es riskante Zeiten.” 

Am Sonntag erhält Rushdie in der Frankfurter Paulskirche den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Er fühle sich sehr geehrt, sagte Rushdie, dies sei ein “enorm wichtiger” Preis. Die Vorsteherin des Börsenvereins des Buchhandels, Karin Schmidt-Friderichs, saß beim Pressegespräch neben Rushdie und würdigte dessen “Widerstandsgeist”. Auf die Journalistenfrage, woher er seine Energie nehme, all die Attacken zu überleben, sagte er schmunzelnd, er habe “eine geheime Quelle”. Mehr wolle er nicht verraten.

Rushdie, 1947 als Sohn muslimischer Eltern geboren, gilt als leidenschaftlicher Verfechter der Meinungsfreiheit. 1989 verurteilte ihn der iranische Revolutionsführer Ayatollah Khomeini mit einer Fatwa zum Tode und verdammte Rushdies Roman “Die satanischen Verse”. Jahrelang lebte der Autor unter Polizeischutz in verschiedenen Verstecken.

Am Freitag mahnte er: “Jeder muss über Alles schreiben können.” Es dürfe gerade für junge Autoren keine Restriktionen geben. “Sonst hört die Kunst des Romans auf, zu existieren.” Für ihn sei das Schreiben ohnehin das einzig Mögliche: “Ich habe kein anderes Talent”, sagte Rushdie. “Sonst wäre ich arbeitslos.”

Rushdie war zuletzt vor acht Jahren auf der weltgrößten Bücherschau in Frankfurt zu Gast, damals als Sprecher der Eröffnungspressekonferenz. Der Iran hatte jene Buchmesse wegen Rushdies Teilnahme boykottiert. Am Freitag mahnte der Autor, religiöser Totalitarismus müsse bekämpft werden. Zudem sagte er: “Ich mag keine Bücher, die mir sagen, was ich denken soll. Ich mag Bücher, die mich zum Nachdenken anregen.” Die Buchmesse nannte er unlängst “eines der wichtigsten kulturellen Foren in der westlichen Welt”. Am Freitag sagte Rushdie: “Ich bin glücklich, zurück zu sein.”

Am Samstagabend wird er bei einer “Literaturgala” der Buchmesse über sein aktuelles Buch “Victory City” sprechen. Auf die Frage, wie er seine sonstige Zeit in Frankfurt verbringen werde, ließ er wieder seinen Humor aufblitzen: “Ich freue mich darauf, am Sonntag in die Kirche zu gehen”, sagte Rushdie mit Blick auf die Preisverleihung in der Paulskirche. In Richtung der Medienschar fügte er hinzu: “Wenn ich eine sehr gute Zeit haben wollte, würde ich sie ausschließlich mit Journalisten verbringen.”