Die Evangelische Kirche im Rheinland steht nach den Worten ihres leitenden Theologen Thorsten Latzel angesichts massiver Sparzwänge vor einer Neugestaltung. Um weiter für andere da zu sein, müsse die zweitgrößte deutsche Landeskirche relevant für die Menschen und flexibel in den Formen sein, sagte der Präses am Montag vor der rheinischen Landessynode in Bonn. Das Kirchenparlament der 2,1 Millionen rheinischen Protestanten soll in dieser Woche Einsparungen von mindestens 33 Millionen Euro auf den Weg bringen, das werde „auch den schmerzhaften Abschied von manchen wertvollen Arbeitsfeldern einschließen“.
Trotz Inflation und Wirtschaftskrise, der höchsten Quote an Kirchenaustritten seit der Nachkriegszeit und eines „tiefen Abbruchs religiöser Verbundenheit zwischen den Generationen“ will Latzel die Kirche nicht auf ihre Krisen reduziert sehen. „Gerade auch im Prozess des Kleiner-Werdens und bei der anstehenden Haushaltskonsolidierung“ müsse in den strategischen Finanzüberlegungen mit Gott gerechnet werden, sagte er. Statt lobbyistischer Bestandssicherung gehe es um „eine zukunftsorientierte Neugestaltung von Kirche – geleitet von den Gaben Gottes und den Herausforderungen der Kirche in unserer Zeit“.
Die Ausgaben im landeskirchlichen Haushalt sollen in den kommenden Jahren um gut ein Fünftel reduziert werden. Einschnitte soll es etwa bei der Kirchlichen Hochschule Wuppertal (KiHo) durch einen Umbau zu einem theologischen Bildungscampus geben. Latzel sprach von einer Reaktion auf „die Bildungsherausforderungen unserer Zeit“, auch Ehrenamtliche benötigten mehr theologische Bildung. Von zentraler Bedeutung seien zudem der Religionsunterricht und die Konfirmandenarbeit.
Zu den Stärken kirchlicher Arbeit zählt Latzel auch evangelische Kitas und die diakonische Arbeit, die zu gemeindlicher Kirche gehöre. Der Theologe beklagte, dass der Sozialstaat in Zeiten verschärfter sozialer Probleme an vielen Stellen massiv zurückgebaut werde.
Heftige Kritik äußerte der rheinische Präses in seinem traditionellen Jahresbericht an einer Instrumentalisierung der Anschläge von Aschaffenburg, Magdeburg und Solingen zur Legitimation von Asylverschärfungen. „Eine notwendige Sicherheitsdebatte wird hier in unseliger Weise auf Kosten von Menschenrechten und gelungener Integration geführt“, sagte er und forderte eine Versachlichung der Debatte. Migration sei „nicht die Mutter aller Probleme“ und Asyl „kein Thema für einen politischen Überbietungswettbewerb im Wahlkampf“.
Die Demokratie sieht Latzel derzeit durch Krieg, Wirtschaftskrise, gezielte Fake News und Extremismus unter einer der stärksten Belastungen seit der NS-Zeit. Soziale Medien „im Privatbesitz populistischer Superreicher“ würden gezielt zur Schwächung der Demokratie genutzt. Mit Blick auf die vorgezogene Bundestagswahl am 23. Februar rief der evangelische Theologe dazu auf, wählen zu gehen: „Wählen Sie Menschenwürde, Nächstenliebe und Zusammenhalt!“
Zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sagte Latzel: „Wir müssen heraus aus diesem Krieg und seiner Logik von Gewalt.“ Allerdings brauche es einen gerechten Frieden, der nicht auf Kosten der Menschen in der Ukraine gehe. Im Nahost-Konflikt seien die Waffenruhe und die Freilassung israelischer Geiseln durch die Terrororganisation Hamas ein Hoffnungszeichen. Auch in diesem Konflikt gelte es diejenigen zu unterstützen, die sich für Frieden engagieren.