Ein „Geheimzirkel, der sich versteckt“, sind sie nicht. „Wir bringen uns als Christinnen und Christen in die Welt ein, tragen zur Meinungsbildung bei und übernehmen Verantwortung“, bringt Rolf Freudenberg auf den Punkt, was die Evangelische Akademikerschaft in Deutschland (EAiD) antreibt. Der 72-jährige Pfälzer Theologe aus Ludwigshafen-Oggersheim wurde kürzlich für drei Jahre zum neuen Vorsitzenden gewählt. Zweite Bundesvorsitzende bleibt die Ruhestandspfarrerin Elke Münster aus dem bayerischen Schweinfurt. Die Gemeinschaft, der nicht nur Hochschulabsolventen angehören, wird dieses Jahr 70 Jahre alt.
Der Anspruch der Vereinigung mit Sitz in Ditzingen bei Stuttgart ist hoch: Die rund 630 meist älteren Frauen und Männer versuchen ihren christlichen Glauben privat, in Familie und Beruf sowie in Gesellschaft und Politik zu leben. Dabei leitet sie nach den Worten von Ruhestandspfarrer Freudenberg in erster Linie eine Frage: „Was bedeutet es heute, Christ zu sein, und was kann man tun zum Wohl von Kirche und Gesellschaft?“
Dazu organisieren die Evangelischen Akademiker, die bundesweit in acht Landesverbänden organisiert sind, Tagungen und Diskussionsveranstaltungen und unterstützen Hochschulabsolventen. Zudem bringen sie sich in gesellschaftliche Debatten mit ihrer Zeitschrift „evangelische aspekte“ ein, zählt Freudenberg auf. Er war auch Vorsitzender des Landesverbandes Pfalz-Saar und stand einst an der Spitze des einstigen Landesvereins für Innere Mission in der Pfalz mit Sitz in Bad Dürkheim.
Zwar gehören den Evangelischen Akademikern vor allem Vertreter der Geistes- und Sozialwissenschaften wie Theologen oder Pädagogen, aber auch Architekten, Ingenieure, Juristen, Ärzte oder Chemiker an. Doch wer in dem 1954 aus evangelischen Studierendenverbänden hervorgegangenen Verein mitwirken will, muss nicht unbedingt studiert haben, macht Freudenberg deutlich. Willkommen seien alle Menschen, die deren Ziele und Grundsätze teilten und die „in einem Kontaktkreis eine geistige Heimat suchen“. Die Mitgliederzahl ist stark geschrumpft – im Jahr 1970 war sie mit 7.300 mehr als zehnmal so hoch wie heute.
Mit kritischem Blick und mit liberal-toleranter Grundhaltung will die Akademikerschaft besonders eine lebendige Kirche fördern. Deren zentrale Aufgabe sei die zeitgemäße Verkündigung der biblischen Botschaft, sagt Freudenberg. Doch rückten in Gottesdiensten allgemein immer mehr „Gefühl, Erlebnis und Spaßcharakter“ in den Mittelpunkt, kritisiert er. Der Glaubenskern drohe dabei verloren zu gehen.
Ein „Arbeitskreis Kirchenreform“ denke nun etwa darüber nach, wie Gottesdienste ansprechend gestaltet und Predigttexte verständlich formuliert werden könnten, berichtet Freudenberg. Letztlich gehe es darum, über den Glauben wieder vermehrt zu sprechen, „ohne in seichtes Fahrwasser zu kommen, aber auch nicht abzuheben in akademische Höhen“.
Leider würden die Akademiker mit ihren Vorschlägen und Anregungen in der evangelischen Kirche kaum wahrgenommen, beklagt Freudenberg. Folglich müsse man sich stärker vernetzen, etwa mit den Evangelischen Akademien. Auch werde der Dialog mit anderen Kulturen und Religionen immer wichtiger.
Vor einem Jahr meldeten sich die Akademiker mit einer Stellungnahme unter dem Titel „Antisemitismus und Meinungsfreiheit in Deutschland“ zu Wort. Darin betonen sie, dass eine kritische Auseinandersetzung mit der Politik des Staates Israel gegenüber den Palästinensern nicht „per se antisemitisch“ sei. „Das Recht auf Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut in Deutschland“, sagt Rolf Freudenberg, „es muss gewahrt bleiben“.