Artikel teilen:

Rechte und linke Politiker lassen venezolanische Migranten im Stich

Unerwünscht in den USA, abgeschoben nach El Salvador, entrechtet in Ecuador: Das Leid der Geflüchteten aus Venezuela ist unermesslich. Dem Rest der Welt ist das inzwischen relativ egal.

Kein Tag vergeht ohne neue Hiobsbotschaften für venezolanische Migranten: Die USA erwägen ein generelles Einreiseverbot für Venezolaner – mit allen Konsequenzen für in beiden Staaten lebende Familien. Die ersten 200 Migranten – laut US-Angaben Mitglieder der kriminellen Organisation “Tren de Aragua” – sind ins Hochsicherheitsgefängnis “Cecot” nach El Salvador abgeschoben worden. Das mittelamerikanische Land kassiert dafür eine Prämie von sechs Millionen US-Dollar. Der Steuerzahler sei entlastet, versichern die Republikaner in den USA. Auch für El Salvador ist der “Deal” ein gutes Geschäft. Was das für die 200 Betroffenen bedeutet, spielt kaum eine Rolle.

Familienangehörige beteuern, die Inhaftierten seien keine Bandenmitglieder. US-Außenminister Marco Rubio erklärt lapidar, dann könnten sie ja von da aus nach Venezuela abgeschoben werden. Er ist selbst Sohn von kubanischen Einwanderern und profitierte einst von deutlich liberaleren Einreiseregeln.

Wer schon einmal in El Salvador war, weiß, dass selbst zu Unrecht festgenommene Einheimische bisweilen monate- oder jahrelang im Gefängnis sitzen. “Das ist ein Inferno”, sagte ein Insasse der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) im vergangenen Jahr, als er von seiner Haftzeit berichtete. Der Verwaltungsangestellte war denunziert worden und verbrachte acht Monate im “Cecot”, bis er dank eines Unterstützerkreises rechtlichen Beistand erhielt. Wie es Ausländern ohne entsprechende Kontakte ergehen mag, kann man sich lebhaft vorstellen.

Was für die leidtragenden Venezolaner besonders bitter ist: Sie sind vor einer sozialistischen Diktatur geflohen, vor einer katastrophalen Versorgungslage, brutaler staatlicher Repression und einem politischen System, dass nur noch mit Wahlbetrug die eigene Macht sichern kann. Dass nun ausgerechnet die USA, die für Geflüchtete aus Linksdiktaturen ein Leuchtturm der Freiheit waren, ihnen die kalte Schulter der Ablehnung zeigen, ist eine tiefe emotionale Enttäuschung.

Demokratische und republikanische Abgeordnete versuchen, irgendwie auf Präsident Donald Trump einzuwirken. Venezuelas eigentlich gewählter Präsident Edmundo Gonzalez und Oppositionsführerin Maria Corina Machado fordern die Vereinigten Staaten auf, zwischen wirklich kriminellen und unbescholtenen Flüchtlingen zu unterscheiden. Doch bisher stoßen sie damit auf taube Ohren.

Die demokratische Linke in Lateinamerika hat ebenfalls keinen wirksamen Plan, um in Not geratenen Venezolanern zu helfen. Venezuela ist zweifellos eine Diktatur. Aber selbst zu einer Anerkennung des Wahlsieges der Opposition bei den manipulierten Präsidentschaftswahlen 2024 können sich Brasiliens Präsident Lula da Silva und sein kolumbianischer Amtskollege Gustavo Petro nicht durchringen. Aus Angst vor dem langen Arm des Machthabers Nicolas Maduros mit dessen Einfluss auf die in Kolumbien aktiven Guerillagruppen ELN und FARC, die in Venezuela neue Kommandozentralen haben. Egal, in welche Richtung die rund acht Millionen geflüchteten Venezolaner derzeit auch blicken: Ihnen schlägt Hass, Neid, Misstrauen und politisches Kalkül entgehen.

Ecuador beendete vor wenigen Tagen die Migrationsamnestie für Venezolaner, die bisher Zugang zu einem legalen Aufenthaltsstatus ermöglichte. Der große Gewinner dieser Entwicklung ist der venezolanische Diktator Maduro: Von seinem Wahlbetrug spricht inzwischen kaum noch jemand. Längst kann er sich als Beschützer der Abgeschobenen inszenieren, die einst vor ihm geflohen sind. Sie erwartet auch im eigenen Land eine Fortsetzung der Leidensgeschichte.