Starker Anstieg der antisemitischen Vorfälle in Hessen: Die bei der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Hessen (RIAS) gemeldeten Vorfälle stiegen 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 75 Prozent an. Insgesamt gingen im vergangenen Jahr 926 Meldungen ein, wie aus dem Jahresbericht hervorgeht, den RIAS Hessen am Donnerstag in Gießen vorstellte. Man habe einen Punkt erreicht, an dem der jüdischen Community „gesellschaftliche Teilhabe nicht mehr uneingeschränkt möglich ist“, sagte die Projektleiterin Susanne Urban.
Der Anstieg antisemitischer Vorfälle seit dem Massaker durch die Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel habe sich 2024 fortgesetzt. In Hessen habe es im vergangenen Jahr einen Vorfall schwerer Gewalt gegeben, berichtete Urban: Eine Person sei so schwer zusammengeschlagen worden, dass sie eine Woche lang im Krankenhaus behandelt werden musste. Insgesamt wurden 33 Angriffe bekannt, die meisten geschahen laut Urban in Situationen des alltäglichen Lebens. So sei eine Person, die einen Beutel des Verbands jüdischer Studierender trug, beim Aussteigen aus einem öffentlichen Verkehrsmittel geschubst und beschimpft worden.
48 Bedrohungen seien gemeldet worden, zum Beispiel während Kundgebungen. Geäußert wurden Urban zufolge unter anderem Vergewaltigungsfantasien. Sachbeschädigungen – insgesamt 32 gemeldete Vorfälle – richteten sich mehrheitlich gegen Gedenkstätten, Beispiel war ein „Free Palestine“-Aufkleber am Marburger Garten des Gedenkens. Oft würden NS-Symbole verwendet. An hessischen Hochschulen kam es laut Urban zu drei Angriffen auf Personen. „Hochschulen sind unsichere Orte geworden.“ Es gebe auch viele Schmierereien auf Toiletten.
Die meisten Vorfälle ereigneten sich mit 409 in Frankfurt, gefolgt von Marburg mit 94 und Wiesbaden mit 89. In Frankfurt gebe es eine „sichtbare jüdische Community“ und eine Vielzahl an Hochschulen, wo Antisemitismus ausgelebt werde.
Antisemitismus müsse im Rechtswesen stärker mitgedacht werden, forderte die Projektleiterin. Milde Urteile wirkten sich auf das Anzeigeverhalten negativ aus. Das Thema müsse in der Lehrer- und Polizeiausbildung stärker implementiert werden. „Wir wissen, dass an Schulen viel vorkommt, was nicht gemeldet wird.“
„Judenhass ist ein Übel für unsere Gesellschaft“, sagte der Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Hanau, Oliver Dainow. Man müsse den Betroffenen zuhören, das Thema dürfe nicht wegdiskutiert werden. Wichtig sei eine Haltung wie: „Das kann ich in meinem Umfeld nicht zulassen.“ Die Menschen seien dafür auch empfänglich, unabhängig von ihrer politischen Einstellung. „Ich erlebe offene Menschen“, sagte Dainow: „Wir brauchen die Zivilgesellschaft, die schützend auf unserer Seite steht.“