Es soll eine der letzten Entscheidungen gewesen sein, die Papst Franziskus vor seinem Tod gefällt hat: der Giro, eines der berühmtesten Radrennen der Welt, passiert zum ersten Mal die Mauern des Vatikans.
Das Beste kommt zum Schluss. Davon zumindest sind die Organisatoren der finalen Etappe des diesjährigen Giro d’Italia in Rom überzeugt. Diese werde “für die gesamte Radsportwelt Gelegenheit sein, Papst Franziskus zu huldigen, der sich dieses außergewöhnliche Ereignis sehr gewünscht hat”, hatte Roms Bürgermeister Roberto Gualitieri bei der Präsentation Ende April erklärt. Den Vatikan für die Schlussetappe des Giro d’Italia zu öffnen, sei eine der letzten Entscheidungen des Papstes gewesen, so Paul Tighe, zweiter Mann der vatikanischen Kultur- und Bildungsbehörde.
Vollends ins Schwärmen geriet Urbano Cairo, Präsident des Giro-Veranstalters RCS: “Es wird eine unvergessliche Etappe sein, auf der sich Sport und Kultur in einem weltweit einzigartigen Rahmen verbinden werden. Der 1. Juni wird zweifellos ein denkwürdiger Tag.” Gestartet wurde der Giro bereits einmal – 1974 – am Vatikan.
Am Ostermontag, dem Todestag des Papstes, hatte Italiens Radsportverband als Zeichen der Trauer sämtliche Veranstaltungen abgesagt. Das Beispiel des Papstes, “sein Werk und seine Friedensbotschaft werden für immer in unseren Herzen bleiben; sie repräsentieren perfekt die Werte des Radsports”, so Cordiano Dagnoni, Präsident des nationalen Radsportverbandes FCI. Radsport und Papst – zwei unterschiedliche Welten, aus denen Italiener Begeisterung und Nationalstolz beziehen – stets gemischt mit einer Prise Selbstironie und Lästerei.
Rein sportlich sind am letzten Tag des Giro keine Überraschungen mehr zu erwarten. Die Schlussetappe in und um Rom ist die leichteste der gesamten Italien-Rundfahrt. Für die 143 Kilometer und 600 Höhenmeter gibt es nur einen von fünf möglichen Schwierigkeitspunkten. Nach der Mannschaftspräsentation nahe des Circus Maximus bewegt sich das Fahrerfeld am Forum Romanum vorbei Richtung Vatikan. Dort fahren sie aber nicht die breite, für Pilger und Touristen reservierte Via della Conciliazione auf den Petersdom zu, sondern nehmen eine mit Roms berüchtigten Sanpietrini gepflasterten Seitenstraße.
Um die Kolonnaden des Petersdoms links herum biegt das Peloton am Petrus-Tor in den Vatikan. Am Petersdom vorbei führt die Route gegen den Uhrzeigersinn den 75 Meter hohen Vatikanhügel hinauf, vorbei an der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften und dem früheren Altersruhesitz Benedikts XVI. bis zum Hubschrauberlandeplatz am höchsten Punkt. In relativ engen Serpentinen führt der Weg wieder hinunter an Franziskus’ früherem Wohnsitz Santa Marta vorbei und aus dem Vatikan hinaus. Ob der dann wohl gewählte neue Papst an der Wegstrecke anfeuern wird – oder zurückhaltend winkt, wird sich zeigen.
Erst danach beginnt die offizielle Giro-Etappe. Nach dem Tunnel unter dem Gianicolo-Hügel geht es rechts am Tiberufer entlang Richtung Circus Maximus, Caracalla-Thermen und die mehrspurige Chaussee Cristoforo Colombo nach Ostia am Meer. Nach einer Schleife dort fährt das Feld zurück nach Rom.
Nachdem sie die alte Stadtmauer passiert haben beginnt der 9,5 Kilometer lange Rundkurs durch das antike Rom, den die Fahrer acht Mal absolvieren müssen. Herausfordernd sind allenfalls einige Steinkanten als Straßenteiler sowie erhobene Markierungen, die zumindest theoretisch Bus- und Taxispur von den übrigen trennen.
Da die Gesamtwertung weitgehend feststehen dürfte, wird die Schlussetappe eher eine Sightseeing-Tour mit naehzu allen Must-see Roms: Caracalla-Thermen, Palatin-Hügel, Kolosseum, unter den Augen der Kaiserstatuen an Forum Romanum und Kaiserforen vorbei, Piazza Venezia (derzeit allerdings eine einzige Baustelle), Engelsburg, Tiberinsel, Große Synagoge und am Ende der Circus Maximus.