„Wer nicht weiß, wie man Angst und Sorgen bekämpft, stirbt früh“, warnt Dale Carnegie in seinem Bestseller „Sorge dich nicht – lebe!“ Der Farmersohn, geboren 1888 im US-Bundesstaat Missouri, wurde zu einem Vorläufer heutiger Motivations-Gurus. Psychologen warnen aber auch vor den Folgen des „Positiven Denkens“, das er propagierte. Carnegie starb vor 60 Jahren, am 1. November 1955 in New York.
Seine „Zauberformel“ gegen Sorgen besteht aus drei Sätzen: 1. Fragen Sie sich: Was könnte als Schlimmstes passieren? 2. Seien Sie bereit, dies notfalls zu akzeptieren. 3. Dann machen Sie sich in aller Ruhe daran, es nach besten Kräften zu ändern.
Kurse nach dem Carnegie-Prinzip gibt es weltweit
Dale Carnegie sei der „Inbegriff des erfolgreichen amerikanischen Selfmade-Mannes“, wirbt der S. Fischer Verlag für seinen Bestseller-Autor: „Aufgewachsen in sehr bescheidenen Verhältnissen, erkämpfte er sich Schulunterricht und Pädagogikstudium. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges begann er in New York mit großem Erfolg Seminare durchzuführen.“ Weltweit sind nach Verlagsangaben bisher mehr als 50 Millionen Exemplare seiner Bücher in 38 Sprachen verkauft worden. Kurse nach den Carnegie-Prinzipien gibt es weltweit.
Das Buch „Wie man Freunde gewinnt“ aus den 1930er Jahren gehört zu den meistverkauften Büchern der Welt. Carnegies außergewöhnlicher Sinn für Humor mache den Text auch heute noch attraktiv, erklärt der australisch-britische Sachbuch-Autor Tom Butler-Bowdon („50 Lebenshilfe Klassiker“). Die Dreistigkeit des Titels passe allerdings überhaupt nicht zum Inhalt, meint der Autor.
Carnegie biete keine Manipulationstechniken und nichts Unseriöses an. Ganz im Gegenteil: Für Carnegie habe es etwas Verächtliches gehabt, Freunde zu einem bestimmten Zweck gewinnen zu wollen. Sein Konzept lasse sich auf die kurze Formel bringen: „Versuchen Sie wirklich, die Welt mit den Augen anderer zu sehen“, unterstreicht Butler-Bowdon. Damit habe er dem Begriff der emotionalen Intelligenz und der Motivationspsychologie den Weg bereitet.
Dale Carnegie gilt zudem als einer der wichtigsten Vertreter des „Positiven Denkens“. Dieses soll das Selbstbewusstsein stärken und eine positive Einstellung zum Leben fördern. „Durch bestimmte Denkmethoden sollen sich wie von selbst Glück, Erfolg und Wohlbefinden einstellen“, erklärt die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) in Berlin.
Doch „Positives Denken“ könne auch schaden. Im schlimmsten Fall führe eine solche Sichtweise bis zum Realitätsverlust, weiß EZW-Referent und Diplom-Psychologe Michael Utsch. Die Grundkritik am „Positiven Denken“ lautet, dass in dieser Denkweise die Überzeugung mitschwingt: Wer nicht glücklich und erfolgreich wird, ist selbst schuld.
Dabei sei Carnegie wohl noch „der realistischste“ unter den Verfechtern des „Positiven Denkens“, weil er Probleme nicht ganz ausklammere, räumt der Autor Günter Scheich ein („Positives Denken macht krank – Vom Schwindel mit gefährlichen Erfolgsversprechen“, Eichborn Verlag). Ein Beispiel sei Carnegies „Kniff, bei sich auftürmenden Problemen zunächst einmal das Schlimmste ins Auge zu fassen, was überhaupt passieren kann“.
Doch das helfe nicht jedem. Bei einigen Menschen könne es zu Traumatisierungen, Angstausbrüchen und Depressionen kommen, warnt Scheich. Alle Emotionen seien wichtig, ob „positiv“ oder „negativ“. Wer den natürlichen Gefühlshaushalt manipuliere und nur noch „positiv“ denken und fühlen wolle, verleugne lebenswichtige Persönlichkeitsanteile.
Carnegie soll in seiner Jugend überlegt haben, christlicher Missionar zu werden. Doch sein Gott, bilanziert Scheich, „ist nicht die Religion, sondern das kapitalistische System und in ihm das Verkaufen von Waren und Überzeugungen“. Seine Methode scheine vor allem als Management- und Verkäuferschulung ideal. Wer sich davon ewiges Glück, Harmonie, Gesundheit und Reichtum erhoffe, werde nur noch stärker frustriert.
Menschen mit natürlicher Tendenz zum Glück
„Machen Sie einen weiten Bogen um Selbsthilfeliteratur“, warnt der Schweizer Bestseller-Autor und Unternehmer Rolf Dobelli („Die Kunst des klaren Denkens“): Diese sei zu hundert Prozent von Menschen geschrieben, „die eine natürliche Tendenz zum Glück besitzen“. Glückseligkeit sei zum großen Teil angeboren und bleibe im Laufe des Lebens konstant. Dass es Milliarden von Menschen gebe, bei denen die Selbsthilfe-Tipps nicht funktionierten, bleibe unbekannt, fügt Dobelli hinzu: „Weil Unglückspilze keine Selbsthilfebücher schreiben.“
Buchhinweise:
Dale Carnegie: Wie man Freunde gewinnt: Die Kunst, beliebt und einflussreich zu werden. Fischer Taschenbuch, 304 Seiten, 9,99 Euro.
Dale Carnegie Sorge dich nicht – lebe! Fischer Taschenbuch. 416 Seiten, 9,99 Euro.
Rolf Dobelli: Die Kunst des klaren Denkens: 52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen. Deutscher Taschenbuch Verlag. 256 Seiten, 8,90 Euro.