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Psychiaterin zu Suizidgedanken: Andere direkt darauf ansprechen

Wer an Suizid denkt, spricht meist darüber. Psychiaterin Ute Lewitzka ermutigt Angehörige und Freunde, genau hinzuhören – und nachzufragen.

Jedes Jahr nehmen sich in Deutschland rund 10.000 Menschen das Leben. Die Psychiaterin Ute Lewitzka vergleicht diese Zahl mit einem Passagierflugzeug, das jede Woche vom Radar verschwindet. “Wenn das passieren würde, würden wir unfassbar viel dagegen tun”, sagte sie in Erfurt.

Die Fachärztin vom Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden fordert stärkere Bemühungen und mehr Finanzmittel zur Vorbeugung. Zugleich ermutigt Lewitzka Angehörige und Freunde von Menschen, die möglicherweise an Selbsttötung denken, diese darauf anzusprechen. “Haben Sie keine Angst, Sie dürfen sie fragen!”, sagte sie.

Die Psychiaterin nannte eine konkrete Möglichkeit: “Ich mache mir Sorgen. Denkst du darüber nach, dein Leben zu beenden?” Man bringe das Gegenüber dadurch nicht auf den Gedanken zum Suizid, sondern komme ins Gespräch. Gleichzeitig müsse man seine eigenen Grenzen wahren. Wenn einem solche Gespräche zu nahe gingen, könne man etwa signalisieren, dass man es selber nicht schaffe, aber für Hilfe sorge. “Das ist extrem wertvoll”, sagte Lewitzka.

Die Fachärztin ist überzeugt, dass in vielen Köpfen – Politiker eingeschlossen – noch Mythen zur Selbsttötung vorhanden sind, die eine bessere Prävention verhindern. Ein Mythos sei, dass man Suizide nicht verhindern könne. Könne jemand etwa wegen Absperrungen nicht von einem Gebäude in den Tod springen, würde er sich eben ein anderes suchen, glaubten viele. “Die meisten sind aber unentschlossen”, entgegnet die Psychiaterin. “Mir sagen Menschen auch nach einem schweren Suizidversuch hinterher, dass sie froh sind, noch am Leben zu sein.” Die meisten Menschen würden nicht sterben wollen, sondern nicht so weiterleben wie bisher.

Ein weiterer Mythos sei, dass Menschen, die über Suizid reden, ihn nicht begehen würden. Laut Lewitzka ist jedoch ein Großteil der Menschen, die einen Selbsttötungsversuch unternehmen, in den Wochen zuvor “im Hilfesystem” – also beispielsweise beim Hausarzt. Auch würden Suizidgefährdete meist in irgendeiner Form über ihre Gedanken sprechen. Das könne auch der beiläufige Blick des Mannes zum Friedhof sein, der dann zu seiner Frau sagt: “Ach, die haben es gut”, erläuterte Lewitzka. Leider erkenne man solche Zeichen aber nicht immer – das gehe selbst Ärzten so.