Die Mutter muss ihre fünfjährige Tochter bedienen. Anders geht das an diesem Tag nicht. Die Kleine erklärt: „Mami, heute bin ich eine Prinzessin und die werden bedient. Das ist so.“ Entschuldigend schiebt sie hinterher: „Morgen helfe ich dir dafür. Weil – da bin ich ja dann eine Biene.“
In der Woche vor Karneval dürfen die Kinder jeden Tag verkleidet in den Kindergarten kommen. Daran haben die meisten Kinder einen Riesenspaß. Die Fünfjährige wählt außerdem noch den Tiger, eine Hexe und eine Indianerin. Besonders den Tiger genießt sie. „Der ist so stark und hat vor nix Angst“, erklärt sie. „Ein bisschen bin ich auch so, aber als Tiger bin ich noch viel stärker.“
So ziemlich jedes Kind durchläuft diese Phase, in der Rollenspiele der absolute Hit sind. Sie lieben es, sich in andere hineinzuversetzen. In der Karnevalszeit wird das besonders deutlich. Einmal zaubern können, so richtig stark sein oder von anderen bedient zu werden – Wünsche, die auch Erwachsene durchaus kennen.
Zugegeben – ich bin nicht der Karnevalstyp. Aber das Gedankenspiel macht mir schon Spaß. Wie würde ich mich verkleiden? Was wäre ich denn gerne? Und warum?
Wenn ich dieser Fünfjährigen zusehe und zuhöre, denke ich, dass sie auch ohne Verkleidung all diese Eigenschaften hat. Irgendwo sind sie in ihr angelegt, sonst würden sie auch jetzt nicht zum Vorschein kommen. Bei Erwachsenen ist das ähnlich. Vielleicht sind manche dieser ersehnten Eigenschaften nur verschüttet?
Am Ende meiner Karnevalsgedanken fällt mir ein Vers aus Psalm 139 ein: „Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke.“