Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel, will die Ergebnisse der ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in evangelischer Kirche und Diakonie „gründlich analysieren und ihnen weiter nachgehen“. „Das Leid der Betroffenen, die Zahl der Fälle und das institutionelle Versagen, das die Studie darlegt, sind erschütternd“, sagte der leitende Theologe der zweitgrößten deutschen Landeskirche am Donnerstag in Düsseldorf. Die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt sei ein steter Lernprozess: „Wir müssen vor allem den Betroffenen gut zuhören, um das erlittene Unrecht in seiner ganzen Dimension begreifen zu können.“
Das von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beauftragte unabhängige Forscherteam geht in seiner Studie von bundesweit mindestens 2.225 Betroffenen und 1.259 mutmaßlichen Tätern aus. Das sei jedoch nur die „Spitze der Spitze des Eisbergs“. Es gebe Kenntnisse über weitere Fälle, die aufgrund fehlender Informationen nicht hätten strukturiert erfasst werden können, heißt es in der Mitteilung des Forscherteams.
Flächendeckend untersucht wurden den Angaben zufolge ausschließlich Disziplinarakten, in einer Landeskirche allerdings auch die Personalakten. In einer „höchst spekulativen“ Hochrechnung, die aus Sicht des Forscherteams mit „sehr großer Vorsicht“ betrachtet werden muss, ergäbe sich eine Zahl von insgesamt 9.355 Betroffenen bei 3.497 Beschuldigten.
Der rheinische Vizepräses Christoph Pistorius dankte allen Betroffenen für die Teilnahme an der Studie. „Mit der ForuM-Studie sind die Betroffenen erstmals umfassend selbst zu Wort gekommen und werden auch in der regionalen Aufarbeitung eine zentrale Rolle spielen“, sagte der Beauftragte der rheinischen Kirchenleitung für Aufarbeitung und Prävention.
Die spezifische Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt in der rheinischen Landeskirche erfolge in einer regionalen Aufarbeitungskommission gemeinsam mit der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL) und den Landeskirchen in Westfalen und Lippe, erklärte Pistorius. Die Maßnahmen zur Prävention und Intervention in Kirche und Diakonie gelte es anhand der Studienerkenntnisse zu überprüfen und gegebenenfalls nachzujustieren.