Die Geburtenrate in den USA ist auf einem neuen Tiefstand – der niedrigste, seit dazu in den 1930er Jahren Buch geführt wird. Grund: Viele Frauen fühlen sich alleingelassen und schieben das Kinderkriegen auf die lange Bank.
Der Kinderwunsch und die Wirklichkeit, Kinder zu gebären, klaffen in den USA immer weiter auseinander. Die aktuellen Geburtenziffern sprechen dazu eine deutliche Sprache. Obwohl mehr als jede zweite Frau laut einer Gallup-Umfrage am liebsten drei oder mehr Kinder hätte, kamen 2023 im Durchschnitt weniger als zwei zur Welt. Nach den aktuellen Daten der Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) waren es im vergangenen Jahr statistisch 1,62 Babys.
Das entspricht einem Rückgang um zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr und ist die Fortsetzung eines Abwärtstrends, der seit Jahren anhält. Die US-Fruchtbarkeitsrate lag 2023 bei historisch niedrigen 54 Geburten pro 1.000 Frauen. Frauen zwischen Anfang und Mitte zwanzig gebären demnach nicht mehr Kinder als ältere von Mitte bis Ende dreißig.
Angesichts des gut dokumentierten Kinderwunschs der US-Amerikanerinnen, macht Timothy Carney vom American Enterprise Institute ein familienunfreundliches Klima für die niedrige Geburtenrate verantwortlich. “Unsere Gesellschaft schafft es nicht, den Wunsch nach Kindern zu wecken”, so sein Resümee zur neuen Geburtsstatistik.
Das Thema bewegt auch die US-Katholiken. Kirchenführer machen sinkende Heiratszahlen, späte Eheschließungen und einen verbreiteten Gebrauch von Verhütungsmitteln für den “Baby Bust” (Pillenknick) verantwortlich. Die Volkswirtin Catherine Ruth Pakaluk von der Catholic University of America meint, für Frauen sei die Vereinbarkeit von Kindern und Karriere zentral. Familie und Beruf seien schwierig unter einen Hut zu bringen.
Im internationalen Vergleich gelten die USA familienpolitisch als Entwicklungsland. Die Weltmacht gehört zu den drei Ländern, die keinen bezahlten Mutterschaftsurlaub gewährt. Auch fehlen Steuerentlastungen für Familien mit kleinen Kindern.
Als Geburten-Bremse wirkt auch das Ende des landesweiten Grundsatzurteils zu Abtreibung “Roe v. Wade” im Juni 2022. Damals hatte das Oberste US-Gericht, der Supreme Court, die Zuständigkeit für die Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen zurück an die Bundesstaaten gegeben. Republikanisch regierte Staaten haben seitdem reihenweise strenge Abtreibungsgesetze in Kraft gesetzt. Diese verunsichern nach Ansicht von Experten viele Frauen.
Die Direktorin des Carolina Population Center an der University of North Carolina, Karen Benjamin Guzzo, beobachtet, dass in der Kombination der Faktoren der Kinderwunsch nach hinten verschoben wird. “Ich hätte gerne Kinder – aber jetzt noch nicht”; das sei die häufigste Begründung von Frauen.
Auch die Pandemie-Jahre haben diese Haltung verstärkt. Obwohl Demoskopen durch den Rückzug in die eigenen vier Wände einen Babyboom vorhergesagt hatten, trat das Gegenteil ein: Weniger Kinder erblicken das Licht der Welt.
Religiöse, sozialkonservative und rechtsgerichtete Politiker haben das Thema zu einer Priorität erklärt. Sie gehören zu den sogenannten Natalisten; einer Bewegung, die sich intensiv für höhere Geburtenraten einsetzt – nicht nur, um die Sozialsysteme zu schützen. Denkfabriken wie das Center for Renewing America und die Heritage Foundation sehen in mehr Babys das Allheilmittel im Kampf gegen die liberale Gesellschaft.