Im Gaza-Krieg vermisst der palästinensische Philosoph Sari Nusseibeh Empathie mit den Menschen im Gazastreifen. “Keiner, der auch nur einen Funken Menschlichkeit hat, kann zusehen, was gerade in Gaza passiert”, sagte der langjährige Präsident der palästinensischen Universität in Jerusalem der “Süddeutschen Zeitung” (Montag).
Auf den Einwand, dass vielen Menschen palästinensische Empathie für die israelischen Opfer des Hamas-Überfalls vom 7. Oktober fehle, entgegnete Nusseibeh: “Ich kann nicht für alle Palästinenser sprechen, aber ich persönlich leide mit allen Zivilisten, die Gewalt erfahren.” Er unterscheide nicht in Religion und Ethnie. “Es gibt keine Ausrede für Massaker. Das Gebot der Menschlichkeit ist auf alle Menschen gleichermaßen anzuwenden.”
Dem Westen warf der 74-jährige Nusseibeh Doppelmoral vor. “Ständig werden andere Länder über Menschenrechte belehrt, aber wenn es um Israel geht, dann ist der Schutz der Bevölkerung in Gaza auf einmal weniger wichtig als das israelische Recht auf Selbstverteidigung. Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit interessiert im Westen gefühlt kaum jemanden.”
Ohne eine Antwort auf die Palästinenserfrage gebe es keine Aussicht auf eine friedliche Zukunft in der Region, betonte der Philosoph und ehemalige Vertreter der PLO in Jerusalem. “Mehr Stärke, noch mehr Sicherheitsvorkehrungen, noch mehr Mauern – das alles wird nicht funktionieren. Das ist nicht die Lösung. Frieden ist die einzige Lösung.”