Die Löhne in Gesundheits- und Pflegeberufen sind deutlich gestiegen. Das ist gewollt, um die Berufe für die alternde Gesellschaft attraktiver zu machen. Andererseits wird die Pflege dadurch deutlich teurer – ein Dilemma.
Die Argumentation erklärt sich von selbst: Weil Deutschland stark altert, werden mehr Pflegekräfte benötigt. Und die gibt es nur, wenn der Beruf attraktiv ist. Schon seit Jahren fordern die Pflegeverbände deshalb höhere Löhne für die rund 1,7 Millionen Beschäftigten in den Pflegeberufen. Mit Erfolg. Die Kehrseite: Die Pflege wird deutlich teurer; sie droht für viele Pflegebedürftige zum Armutsrisiko zu werden.
Die am Dienstag veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamtes sprechen Bände: Danach haben Vollzeitbeschäftigte in Gesundheits- und Pflegeberufen in den vergangenen zehn Jahren ein ähnlich hohes Gehaltsplus eingefahren wie die – allerdings insgesamt besser bezahlten – Ingenieur- und Luftfahrtberufe. Am meisten profitierte die Altenpflege.
Vollzeitbeschäftigte in der Alten- und Krankenpflege erhielten demnach im April 2024 im Mittel 4.048 Euro brutto ohne Sonderzahlungen, wie die Statistiker zum Internationalen Tag der Pflegenden am 12. Mai mitteilten. Das waren 1.219 Euro mehr als zehn Jahre zuvor: 2014 lag der Bruttoverdienst bei 2.829 Euro. In der Gesamtwirtschaft verdienten Vollzeitbeschäftigte im April 2024 im Mittel 3.978 Euro brutto.
Vor allem Fachkräfte in der Altenpflege profitierten von den Steigerungen. Vollzeitbeschäftigte Fachkräfte verdienten dort im April 2024 im Mittel 4.228 Euro brutto. Das waren 1.612 Euro mehr als zehn Jahre zuvor. Allerdings verdienen Fachkräfte in der Gesundheits- und Krankenpflege mit 4.310 Euro immer noch etwas mehr.
Pflegekräfte und ihre Verbände hatten seit Jahren auf schlechte Bezahlung und schwierige Arbeitsbedingungen hingewiesen. Sie warnten vor einer Flucht aus dem Beruf und forderten verlässliche Arbeitszeiten und bessere Arbeitsbedingungen. Nach einer Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung könnten 2035 in den Pflege- und Gesundheitsberufen rund 270.000 Fachkräfte fehlen.
Bei der Bezahlung hat die Politik inzwischen deutlich reagiert: Der Mindestlohn in der Altenpflege, der höher ist als der allgemeine Mindestlohn, wurde in mehreren Schritten erhöht. Seit Mai 2024 erhalten Pflegehilfskräfte mindestens 15,50 Euro brutto pro Stunde, qualifizierte Pflegehilfskräfte 16,50 Euro und Pflegefachkräfte 19,50 Euro. Eine weitere Erhöhung soll zum 1. Juli kommen.
Außerdem hat die Bundesregierung festgelegt, dass seit Herbst 2022 nur noch diejenigen Pflegeeinrichtungen mit der Pflegeversicherung abrechnen können, die ihre Pflege- und Betreuungskräfte nach einem Tarif bezahlen. Beschäftigte in Heimen und ambulanten Pflegediensten verdienen mittlerweile oft gutes Geld.
Die Sache hat allerdings einen Haken, vor allem für die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen. Denn sie müssen Eigenanteile für Pflege, Hotelkosten und Personal tragen. Höhere Löhne für Pflegekräfte werden an sie weitergereicht.
Seit Jahresbeginn ist dieser Eigenanteil noch einmal gestiegen – bundesweit von 2.687 auf 2.984 Euro pro Monat während des ersten Jahres im Pflegeheim. Der Verband der Ersatzkassen spricht von einem “ständigen Aufwärtstrend”. Weder von der Pflegekasse gezahlte Zuschläge noch eine Erhöhung der Pflegeleistungen zu Jahresbeginn hätten diesen Trend abbremsen können.
Die Kosten explodieren. “Wenn wir nichts dagegen machen, kommen wir in ein paar Jahren auf Eigenanteile von 4.000 Euro pro Monat”, warnte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im vergangenen Sommer. Auch Patientenschützer und der Sozialverband Vdk sorgen sich, dass Pflege immer mehr zum Armutsrisiko werde. Immer mehr Pflegebedürftige sind auf Unterstützung vom Sozialamt angewiesen.
Die privaten Krankenversicherungen sehen das allerdings völlig anders. Über 70 Prozent der Rentnerhaushalte könnten sich eine stationäre Pflege über mehrere Jahre leisten, argumentieren sie. “Wenn man nicht nur das Einkommen, sondern auch die Vermögenslage der Rentner berücksichtigt, können sie die Eigenanteile im Pflegeheim von rund 3.000 Euro monatlich aus eigener Kraft fünf Jahre lang tragen”, heißt es.