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Partnerschaft London–Berlin

Von Markus Dröge

Als Karl Friedrich Schinkel 1826 den Auftrag von Friedrich Wilhelm III. bekam, die Nikolaikirche in Potsdam zu entwerfen, hatte er gerade eine Studienreise nach England hinter sich. In einem Brief aus London hatte er geschrieben: „Am 7. Juni (1826) wohnten wir einem großen Fest der Waisenkinder aller Kirchsprengel von London bei, in der Paulskirche, durch Herrn Bischoffs Güte hatten wir unter den Lords dicht an der Kuppel einen Platz bekommen. Unter der Kuppel war ein großes Amphitheater von etwa 16 Reihen übereinander für die Kinder aufgebaut. (Es gab) eine Predigt vom Bischof von London und Chor und Orgelmusik, in welche letztere die gesamten Kinder sehr gut unisono einstimmten […]. Am Schluss des Festes wurden wir aufs Orgelchor geführt, um den Anblick des Amphitheaters der Kinder von oben herunter zu haben, welches wirklich etwas Großes ist […].“Die eindrückliche Raumwirkung der Kuppel der St. Paul’s Cathedral habe ich am vergangenen Sonntag erleben können. Die Kathedrale hat einen kreuzförmigen Grundriss. In der Mitte des Kreuzes befindet sich die Kuppel, 111 Meter hoch, das sind 365 Fuß, einen Fuß für jeden Tag des Jahres. Ich war eingeladen, in der gesungenen Eucharistiefeier um 11.30 Uhr die Predigt zu halten. Eine Woche zuvor hatte die Bischöfin von London, Sarah Mullally, im Berliner Dom gepredigt. Im Mai 2018, einen Tag nach der Einführung der Bischöfin, als ich meine erste Predigt in St. Paul’s gehalten habe, ist die Idee eines Kanzeltausches entstanden. Etwa zur Zeit des geplanten Brexit, so haben wir damals geplant, wollen wir die bleibende Verbundenheit zwischen unserer Kirche und der Diözese London zum Ausdruck bringen. Wir werden unsere Partnerschaft jetzt erst recht pflegen. Dass diese beiden gegenseitigen Besuche nun in einer solch turbulenten Zeit stattfinden würden, konnten wir nicht ahnen. Mich hat die große Dankbarkeit sehr berührt, mit der die Geschwister in London gerade jetzt meinen Besuch gewürdigt und meine Predigt begrüßt haben. Ich habe betont, dass wir Christen im Glauben verbunden bleiben und weiter unsere Verpflichtung darin sehen, uns für das „Friedensprojekt Europäische Union“ einzusetzen. Ich habe an die Charta Oecumenica der europäischen Christenheit aus dem Jahr 2001 erinnert: In ihr haben sich die europäischen Christen aller Konfessionen verpflichtet, das Zusammenwachsen Europas zu befördern, gemeinsam für den Dialog der Religionen einzutreten, die Schöpfung zu bewahren, Flüchtlinge würdig zu behandeln und das Gedenken an die Schuld zu bewahren, die die Kirchen auf sich geladen haben, weil sie nicht genug getan haben, um den gegenseitigen Hass der Völker zu verhindern. Diese Charta Oecumenica war 2001 ein wichtiges Signal. Heute, so habe ich in London betont, ist es dringender denn je, diese Selbstverpflichtung zu hören und zu leben. Denn jetzt, wo der Gedanke Europas in vielen Mitgliedsländern in Frage steht, muss sich das bewähren, wozu sich die europäische Christenheit gegenseitig verpflichtet hat.

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