Viele Menschen wollen Leben retten, dennoch stagniert die Zahl der Organspenden. Kritiker sehen die entscheidenden Knackpunkte nicht in der Haltung potenzieller Spenderinnen und Spender, sondern im System.
Viele verdrängen das Thema Tod – doch am heutigen Samstag werben Politik, Medizin und Kirchen wieder für die Organspende. Bürgerinnen und Bürger mögen sich damit befassen und einen Organspendeausweis ausfüllen. Die zentrale Auftakt-Veranstaltung findet im bayerischen Regensburg statt.
Im vergangenen Jahr spendeten 953 Menschen nach ihrem Tod ihre Organe. Zugleich stehen mehr als 8.100 Menschen auf der Warteliste für ein Spenderorgan.
Allerdings werde bei der Organspende die Bedeutung der Angehörigen der Spenderinnen und Spender unterschätzt. Ohne ihre Mitwirkung gäbe es nicht einmal halb so viele Organspenden, erklärte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, in Dortmund.
Die Angehörigen seien “Ansprechpartner, um den mutmaßlichen Willen des Sterbenden zu ermitteln”, und träfen die Entscheidung, wenn der mutmaßliche Wille des Spenders nicht bekannt sei, sagte Brysch. Auf dieser gemeinsam getragenen Entscheidung fuße auch die gesellschaftliche Akzeptanz des Transplantationssystems.
Brysch wandte sich in dem Zusammenhang gegen eine Widerspruchslösung, nach der jeder für eine Organspende in Betracht käme, sofern er nicht zu Lebzeiten ausdrücklich einer Entnahme widersprochen hätte. Ein solches Verfahren würde “die Angehörigen außen vor lassen”, so der Vorstand. “Das Übergehen der Familien erhöht den seelischen Druck.”
Die staatlichen Angebote zur Mitwirkung und Aufklärung nannte Brysch unzureichend. So verfehle auch das Online-Organspende-Register sein Ziel. Bislang hätten sich nur rund 0,5 Prozent der 71 Millionen Berechtigten registriert. Den Menschen werde “die Eintragung viel zu kompliziert gemacht”.
“Allein im letzten Jahr sind 15 Prozent der Organspende-Entscheidungen aufgrund eines Spenderausweises oder einer Patientenverfügung zustande gekommen. Die Beteiligung am Register zeigt, dass nicht mal das Potenzial der Bevölkerungsgruppe ausgeschöpft wird, die ein klares Votum abgibt”, sagte Brysch.
Deutschland liegt bei den Organspenden im europaweiten Vergleich am unteren Ende der Tabelle. Die Spenderzahlen bewegen sich seit Langem auf niedrigem Niveau. In Umfragen erklärten zuletzt aber 85 Prozent der Befragten, sie hätten eine positive Meinung zur Organspende. 45 Prozent der Bundesbürger haben nach eigenen Angaben ihre Entscheidung im Organspendeausweis oder in einer Patientenverfügung dokumentiert. Das im Frühjahr 2024 gestartetes Organspenderegister bleibt hinter den Erwartungen zurück. Zuletzt hatten dort 320.000 Bundesbürger ihren Willen dokumentiert.