Der diesjährige Karlspreisträger, Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, fordert mehr Einsatz von Politik und Gesellschaft gegen Antisemitismus. Nach dem Überfall der Terrormiliz Hamas auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres sei das jüdische Leben in Europa „ernsthaft bedroht“, mahnte der Präsident der Konferenz der europäischen Rabbiner am Donnerstag bei der Preisverleihung im Aachener Rathaus.
Zwar würden die Regierungen schon viel zur Sicherheit der jüdischen Gemeinden in Europa tun, räumte Goldschmidt ein. Doch das reicht nach Ansicht des Oberrabbiners nicht. Angesichts des wachsenden Judenhasses lebten viele Gemeinden in Europa derzeit in Angst und bangten um ihre Zukunft. „Setzen Sie dem etwas entgegen“, appellierte der Karlspreisträger auch in Richtung der 700 Gäste bei der Preisverleihung.
In der Verpflichtung auf europäische Werte wie Versöhnung, Dialog, Freiheit und Demokratie müsse man antisemitischen Tendenzen noch deutlich stärker begegnen. „Antisemitismus ist das Problem der Gesellschaften, in denen er herrscht“, unterstrich Goldschmidt.
Zugleich verlangte er „mehr Solidarität mit dem jüdischen Staat und den jüdischen Gemeinden weltweit“. In diesem Zusammenhang warnte er davor, dass der Iran auch in Deutschland jüdische Einrichtungen „ins Visier“ nehme, etwa mit Anschlägen auf Synagogen. Deshalb müsse die Europäische Union die Revolutionsgarden des Irans als Terrororganisation auf die Terrorliste setze – und zwar „lieber heute als morgen“, forderte Goldschmidt.
Pinchas Goldschmidt wurde am 21. Juli 1963 in einer jüdisch-orthodoxen Familie in Zürich geboren. Von 1989 bis 2022 arbeitete er als Rabbiner in Moskau. Nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine verließ er im Juli 2022 Russland.
Goldschmidt ist seit 2011 Präsident der Konferenz der europäischen Rabbiner mit Sitz in München, die nach eigenen Angaben rund 800 aktive Rabbiner in Europa vertritt. Er engagiert sich zudem für den interreligiösen Dialog und war 2015 Mitgründer des „Muslim-Jewish Leadership Council“, einem jüdisch-muslimischen Expertenrat mit Sitz in Amsterdam, der den Erhalt von Religionsfreiheit und religiösem Frieden sowie eine Vertiefung des Dialogs zwischen Europas rund 1,5 Millionen Juden und über 40 Millionen Muslimen zum Ziel hat.