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NRW will Demokratieverständnis stärker im Unterricht fördern

Der Landtag in Nordrhein-Westfalen will das Demokratieverständnis stärker in der schulischen Bildung verankern. Das sieht ein Antrag der Fraktionen von CDU und Grünen vor, zu dem am Dienstag im Schulausschuss eine Anhörung von Sachverständigen geplant ist. „Die zunehmende gesellschaftliche Tendenz, sich antidemokratischen Positionen zuzuwenden, ist beunruhigend. Und auch in Schulen wird steigende Radikalisierung deutlich sichtbar“, heißt es in dem Antrag. Vor diesem Hintergrund müsse über alle Bildungsstufen und -formen hinweg die Bedeutung der politischen Bildung sowie die Vermittlung demokratischer Werte und Strukturen gestärkt sowie der Aufbau und die Funktionsweise des demokratischen Systems vermittelt werden.

Konkret sieht der Antrag vor, dass alle Schüler mindestens einmal während ihrer Schulzeit Gedenkstätten zur NS-Zeit besuchen. Auch der Kontakt zu politischen Institutionen und Abgeordneten, Besuche von Land- oder Bundestag sowie Stadt- und Gemeinderäten könnten „fester Bestandteil der demokratischen Grundbildung“ im Unterricht werden, heißt es in dem Antrag weiter.

In bereits vorliegenden Stellungnahmen stößt der Antrag der Regierungsfraktionen weitgehend auf Zustimmung. Angesichts des zur beobachtenden Infragestellens von Grund- und Menschenrechten sei aber eine „weitblickende Strategie“ zur Stärkung der demokratischen Bildung nötig, die der über die Fraktionsgrenzen hinausblicke, betont die Sozialwissenschaftlerin Bettina Zurstrassen von der Universität Bielefeld. Vor allem an den Förder-, Haupt-, Real-, Sekundar- und Grundschulen sowie am Berufskolleg sollte die politische Bildung verstärkt werden. Grund sei eine soziale Ungleichheit im Bildungssystem. So gebe es etwa an Hauptschulen im Vergleich zum Gymnasium weniger Lerngelegenheiten, die Schüler auf ihre künftige Rolle als Bürger einer Demokratie und Mitverantwortlichkeit für die politische Gestaltung qualifizierten.

Vom Verein Mehr Demokratie NRW hieß es, die „staatsbürgerliche Sozialisation“ sei umso nachhaltiger, je früher damit begonnen werde. Wer sich einmal an der Schule im Rahmen eines Planspiels oder Aktionstages beteiligt habe, werde dies wahrscheinlich wieder machen. „Wer einmal gewählt hat, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder wählen, wer sich einmal politisch in einer Initiative oder Partei eingebracht hat, wird das mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder tun.“

Kritik kommt hingegen von der Landesschülervertretung, die dem Antrag ein „sehr idealisiertes Bild der Realität“ vorwirft. Immer mehr Menschen in Deutschland zweifelten an der Demokratie, weil sie sich nicht mehr repräsentiert fühlten. Geringverdiener erhielten weniger parlamentarisches Gehör als Gutverdiener, heißt es in ihrer Stellungnahme. Zugleich gebe es in Regionen mit vernachlässigter Infrastruktur mehr Bereitschaft, rechtspopulistisch zu wählen. „Diese vorliegenden Missstände müssen zunächst erkannt werden, bevor eine weitere Beschäftigung mit der ‘Rettung der Demokratie’ erfolgen kann.“