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NRW-Krankenhäuser warnen vor drohendem Finanzkollaps

Energiekosten und Tarifsteigerungen – für Krankenhäuser in NRW zwei zentrale Kostenposten. Hinzu kommen Sachkosten und Inflation. Hilft der Bund nicht aus, gehen Kliniken pleite, mahnt die Krankenhausgesellschaft.

Die Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen fühlen sich angesichts steigender Kosten von der Politik im Stich gelassen. Wegen der anhaltend hohen Inflation und der beschlossenen Tariferhöhungen von rund zehn Prozent für die Mitarbeiter stehe den Kliniken im nächsten Jahr finanziell ein „Doppelschlag“ ins Haus, warnte der Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW KGNW), Ingo Morell, am Montag in Düsseldorf.

Die zuletzt – auch im Zuge der Corona-Krise – gewährleisteten staatlichen Hilfen sollen 2024 aber nicht fortgesetzt werden. „Wir laufen auf eine dramatische Situation hinaus. Die Inflation frisst die Substanz der Kliniken immer schneller auf“, warnte Morell. Da die Krankenhäuser ihr Budget zugeteilt bekämen, könnten sie selbst keine höheren Behandlungstarife durchsetzen. Steigende Kosten könnten so ohne staatliche Hilfe nicht aufgefangen werden.

Bundesweit seien in diesem Jahr bereits 40 Kliniken und damit fünfmal mehr als 2022 in die Insolvenz gerutscht, rechnete Morell vor. Offenbar kalkuliere die Politik mit einer Beschleunigung des wirtschaftlichen Niedergangs, da im Zuge der geplanten Krankenhausreformen in Bund und Land die Zahl der Häuser ohnehin verringert werden solle. Eine auskömmliche Finanzierung der Betriebskosten sei aber kein Almosen, sondern gesetzliche Pflicht.

Der Bundesregierung wirft die Krankenhausgesellschaft deshalb eine „Flucht aus ihrer rechtlichen Verpflichtung“ vor. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sehe keinen Spielraum für weitere Unterstützung, obwohl die Refinanzierung der Kliniken zu seinen Aufgaben gehöre, rügte Morell. In den Ländern und Kommunen sei die finanzielle Lage ähnlich. Die Krankenhäuser müssten nun eine Situation ausbaden, die sie nicht verschuldet hätten. „Es wäre schön, wenn wir für die anstehende Krankenhausreform noch Häuser hätten und keinen kalten Strukturwandel, wo Kliniken, die wir noch brauchen, vom Markt verschwunden sind“, warnte Morell.

Mit einem bundesweiten Aktionstag unter dem Motto „Fünf vor Zwölf“ wollen Krankenhausbeschäftigte am 20. September auf die Finanzlage der Kliniken aufmerksam machen. In NRW findet die Kundgebung vor dem Düsseldorfer Landtag statt. Die Krankenhausgesellschaft NRW rechnet mit 10.000 Teilnehmern. Unterstützt wird der Protest von der „NRW-Allianz für die Krankenhäuser“. Dazu gehören unter anderem die kommunalen Spitzenverbände, Ärztekammern, die Pflegekammer NRW, die Gewerkschaften ver.di und Marburger Bund, die Diakonie RWL sowie die Caritas in NRW.

Auch NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) fordert schnelle Hilfen der Bundesregierung. Die große Reform der Krankenhausfinanzierung helfe den Häusern zwar perspektivisch, aber nicht aktuell, sagte Laumann der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (Montag). Das Bundesgesundheitsministerium habe Anfang des Jahres 2,5 Milliarden Euro als Energiehilfen bereitgestellt. Der Bund werde aber weitere Hilfen folgen lassen müssen, „sonst kommt die Reform der Krankenhausfinanzierung für viele Kliniken zu spät“. Im System der Fallpauschalen würden hohe Tarifsteigerungen oder Steigerungen der Betriebskosten nicht zeitnah genug abgebildet, kritisierte Laumann.

Die SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag sieht einen Teil der Verantwortung bei der Landesregierung. Der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion, Thorsten Klute, sprach am Montag von einer mangelhaften Investitionsförderung der schwarz-grünen Landesregierung. Bereits im Jahr 2021 sei der Investitionsstau der Krankenhäuser in NRW auf insgesamt 13,8 Milliarden Euro beziffert worden. Dieser Stau „wachse“ Jahr für Jahr um weitere 1,2 Milliarden Euro an und dürfte nun bei 16 Milliarden liegen. Die jährlich dafür bereitgestellten Mittel des Landes in Höhe von 765 Millionen Euro reichten also „hinten und vorne“ nicht.