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Neues Memorandum warnt vor Einstieg von Rosatom in Lingen

Der russische Umweltschützer und Träger des Alternativen Nobelpreises,
Vladimir Slivyak, hat eindringlich vor einem Einstieg des staatlichen russischen Atomkonzerns Rosatom in die Brennelementefertigung im emsländischen in Lingen gewarnt. Die Zusammenarbeit mit dem russischen Staat in einem so sensiblen Bereich wie der
nuklearen Versorgung berge nicht nur für Deutschland, sondern für die gesamte Europäische
Union wachsende Risiken für die Sicherheit, schreibt Slivjak in einem am Freitag von mehreren Organisationen veröffentlichten Memorandum. Die künftige deutsche Regierungskoalition müsse dieser Zusammenarbeit „ein Ende setzen“.

Die Lingener Fabrik gehört dem französischen Unternehmen Framatome über seine Tochtergesellschaft Advanced Nuclear Fuels GmbH (ANF). Sie produziert nukleare Brennelemente für Atomkraftwerke in mehreren Ländern. Seit 2021 wartet Framatome auf eine Genehmigung der deutschen Behörden zur gemeinsamen Produktion von Kernbrennstoff mit Rosatom.

In fünf EU-Ländern sind insgesamt 19 Kernreaktoren russischer Bauart in Betrieb. Sie benötigen bestimmte Brennelemente, die bislang von Rosatom in Russland hergestellt werden. Künftig wollen Framatome und Rosatome diese Brennelemente auch in Lingen fertigen.

Slivjak zufolge war und ist Rosatom direkt und indirekt an der russischen Invasion in der Ukraine beteiligt. Der Konzern vereinige unter seinem Dach mehr als 350 Unternehmen, die an der zivilen und militärischen Nuklearproduktion beteiligt seien. Rosatom selbst sei für die Entwicklung, Herstellung und Wartung der russischen Atomwaffen zuständig. Mitarbeiter von Rosatom hätten die russische Armee bei der Besetzung der Zone um das AKW Tschernobyl sowie bei der Besetzung des Kernkraftwerks Saporischschja unterstützt.

Trotz des Krieges in der Ukraine und der direkten Beteiligung von Rosatom daran halte Framatome an der Zusammenarbeit mit Rosatom fest, beklagt Slivjak. Dies werde es Rosatom ermöglichen, „tiefer in die europäische nukleare Versorgungskette einzudringen und damit die europäische Sicherheit zu gefährden“. Hinzu komme eine größere Abhängigkeit Europas von russischen Ressourcen und mehr Geld für Moskau zur Fortsetzung des Krieges in der Ukraine.

Slivjak weist darauf hin, dass eine nukleare Kooperation zwischen Framatome und Rosatom längst in Gang sei. So seien 2024 mehr als 82 Tonnen russisches Uran nach Deutschland importiert worden – fast 70 Prozent mehr als 2023. Seit 2022 seien mindestens 18 Transporte mit Uran aus Russland bei ANF in Lingen eingetroffen.

Über die Zusammenarbeit bei der Brennelementefertigung muss zunächst das Land Niedersachsen entscheiden. Im November 2024 hatte das Umweltministerium in Hannover dazu einen Erörterungstermin anberaumt, bei dem über rund 11.000 Einwendungen von Bürgern gegen das Vorhaben diskutiert wurde. Das letzte Wort bei der Genehmigung hat wie fast immer in Fragen der Atomkraft und -sicherheit der Bund.