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Neuer Ratgeber – Wie der Umgang mit einem Verlust gelingen kann

Wie gehen Menschen mit dem Schmerz um, den Tod und Trauer mit sich bringen? Wie wollen sie sterben? Pfarrerin Iris Geyer will mit ihrem Ratgeber in schwierigen Zeiten helfen.

Iris Geyer hat keine Angst vor den ganz großen Themen. Die frühere evangelische Pfarrerin und heutige Heilpraktikerin für Psychotherapie will den Menschen in den Zeiten beistehen, in denen sie sich vor existenzielle Herausforderungen gestellt sehen. Dann, wenn es um Sterben, Tod und Trauer geht. In ihrem jetzt veröffentlichten Buch “Den Schmerz umarmen” erzählt sie von ihren Erfahrungen und gibt Tipps, wie ihre Leser und Leserinnen durch diese Zeit kommen oder ihre Angehörigen begleiten können.

Sterben ist die letzte große Aufgabe des Lebens, sagt Geyer und hat festgestellt: “Das Sterben wird beginnen, wenn mich plötzlich die Erkenntnis wie ein Schlag trifft: ‘Ich werde sterben. Es ist so weit.’ Das Unvorstellbare tritt ein. Der Tod ist nahe.”

Am Lebensende heißt der Königsweg: Verzeihen, Versöhnung und Selbstversöhnung, so Geyer. “So lässt sich innerer Frieden finden.” Die Menschen wollen nach ihrer Erfahrung dann klar Schiff machen, um Verzeihung bitten oder Vergebung erbeten. Aber Geyer möchte auch verstanden wissen, dass dies keine Pflicht sei, wenn etwas zu schwerwiegend gewesen sei und man nicht verzeihen könne. “Selbst einem Sterbenden gegenüber ist nicht alles entschuldbar. Niemand ist zum Verzeihen verpflichtet oder kann dazu verpflichtet werden.”

Was ihr auch aufgefallen ist: Selbst wenn der sterbende Mensch froh darüber ist, dass seine Liebsten ihn auf dem letzten Weg begleiten – den allerletzten Schritt wollen viele alleine gehen. So hat es Geyer selbst beim Tod der Mutter erfahren. Loslassen zum sterben – das geht für einige am besten, wenn niemand dabei ist. Andere wiederum seien glücklich, in den Armen ihrer Familie zu sterben.

“Nach dem Tod eines geliebten Menschen ändert sich alles”, sagt die evangelische Theologin. “Die Trauer bleibt ein Leben lang. Sie wandelt sich zwar, doch sie wird immer zu einem Hinterbliebenen gehören.” Sie ermutigt Betroffene, die Trauer anzunehmen, denn sie sei “die andere Seite der Medaille Liebe. Sie ist der Preis, den wir bezahlen müssen, wenn wir jemanden geliebt haben, der gegangen ist.”

Die Trauer anzunehmen, fällt selten leicht. Iris Geyer hat erfahren, dass viele den “Weg des Kampfes” beschreiten, wie sie sagt. “Sie kämpfen gegen Trauer und Abschiedsschmerz an, wollen diese nicht zulassen.” Doch über Wut, Aggressionen oder eine Depression komme der Schmerz wieder an die Oberfläche. Geyer will ihren Lesern helfen, den Schmerz zu integrieren, damit sie wieder eine positive Zukunftsperspektive gewinnen können.

Besonders schwierig ist das Leben nach dem Tod von Kindern oder einem Suizid. “Jeder Tod ist ein Schock. Ein Suizid jedoch löst ein Trauma aus”, erklärt die Theologin. “Es ist eine Entscheidung, die die Dableibenden hinnehmen müssen – so schwer es auch fallen mag.” Doch gibt sie zu bedenken: “Wer eine Selbsttötung ankündigt, sendet einen Hilferuf.” Sie sieht jeden Menschen und die Gesellschaft in der Pflicht, mehr Verantwortung zu übernehmen und für mehr Prävention zu kämpfen. “Ein wichtiger Schritt wäre auch, das Thema Selbsttötung offener anzusprechen und es nicht mehr zu tabuisieren.”

Für Eltern ist der Tod ihres Kindes eine unfassbare Tragödie. Daran können Ehen und Familien zerbrechen, sagt Geyer, denn jeder trauere anders und die Verständigung darüber sei schwer oder kaum möglich. Letztlich kommt die Autorin hier an ihre Grenzen. Sie gibt zu, wenn sie mit der Frage konfrontiert werde: “Warum lässt Gott dieses Leid, diesen Tod zu?”, wisse sie eigentlich keine Antwort auf diese Frage; stattdessen bietet sie theologische Annäherungen an.

Grundsätzlich gibt die Autorin ihren Lesern mit auf den Weg: “Trauer ist keine Krankheit, und die Trauer ist nicht unsere Feindin. Sie ist eine normale Reaktion auf einen Verlust.” Allerdings müsse man bedenken, dass jeder Mensch anderes trauere.

Iris Geyer ruft dazu auf, den Schmerz zu umarmen, sich mit ihm anzufreunden. Denn so könne man die Trauer in das eigene System integrieren, ohne dass der Gedanke an diesen Verlust noch einen heftigen Schmerz auslöse. Dann werde der Schmerz auf Dauer seine Wucht verlieren und Teil des eigenen Selbst – so wie die Erinnerung an die Person, die man verloren hat.