Archäologische Ausgrabungen im westfälischen Telgte haben neue Erkenntnisse zur Stadtgeschichte seit dem Hochmittelalter (etwa 1050 bis 1250) erbracht. Obwohl das untersuchte Gelände in der Altstadt durch zahlreiche moderne Bodeneingriffe wie eine Tankstelle stark überprägt war, legten die Fachleute auf etwa 1.500 Quadratmetern Baubefunde und Bodenverfärbungen frei, die bis ins 13. Jahrhundert zurückdatieren, wie der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) am Donnerstag mitteilte. So seien sechs Brunnen aus Kalksteinplatten in den Hinterhöfen wiederentdeckt worden. Allein drei davon lagen demnach auf einer einzigen historischen Parzelle.
Das Archäologen-Team, das unter Begleitung des LWL ein Grundstück rund um eine alte Telgter Kornbrennerei zwischen Steinstraße und Königstraße untersucht hatte, entdeckte zudem verfüllte Keller mit Koch- und Vorratsgefäßen, Klappmesser und elegante Trinkgläser, wie es hieß. Des Weiteren wurden Pinzetten, Gürtelschnallen aus Bronze, Stecknadeln sowie ein lederner Hausschuh gefunden. Auch Bruchstücke aufwendig bemalter bunter Fensterscheiben mit Wappen und Figuren traten demnach zutage. Nach Beendigung der Grabungsarbeiten Ende Oktober folgt nun die Auswertung und Restaurierung der Funde.
Laut Forschung bestanden im Mittelalter in Telgte die Häuserzeilen noch aus ebenerdigen Fachwerkbauten, von denen kaum Überreste erhalten geblieben sind. Die Bewohner begannen dann im 16. und 17. Jahrhundert auf einigen Parzellen massive Backsteinkeller zu errichten. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde in der Altstadt offenbar eine ganze Häuserzeile abgebrochen, die Keller wurden verfüllt. „Das Ereignis können wir ziemlich genau einordnen, weil im Abbruchschutt kleine Kupfermünzen zum Vorschein kamen“, sagte Grabungsleiter Thies Evers von der Fachfirma Eggenstein-Exca.
Um 1761 entstand neues Gewerbe auf dem Areal, als der damalige Bischof in Münster die Erlaubnis für eine Keramikmanufaktur erteilte. Dass die Manufaktur im Nahbereich des aktuellen Bauareals lag, ist den Angaben zufolge unter anderem aus Kartenwerken des 19. Jahrhunderts bekannt.
Als typisches Fundmaterial für einen Betriebsstandort fand sich laut LWL Ausschussware, die in diversen Abfallgruben entsorgt worden war. „Hier sind unter anderem sogenannte Fayencen entstanden, die qualitätvolles und daher teures Porzellan imitierten“, erklärte Andreas Wunschel von der LWL-Archäologie für Westfalen. Der Export reichte laut alter Quellen bis nach Minden und Bremen. Wohl 1822 stellte die Fabrik ihren Betrieb ein.