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Naturschutz versus Lebensgrundlage in Tansania

In der Gegend um Loliondo gibt es so viele Erzählweisen über den Naturschutz, wie es Zebras und Kühe gibt. Die Kleinstadt im Norden von Tansania befindet sich wenige Kilometer östlich des Serengeti-Nationalparks. Zugleich liegen hier ursprüngliche Weidegründe des Volkes der Maasai. Und so schwanken die Sichtweisen auf Umwelt- und Artenschutz zwischen zwingend nötig, auch mit hartem Durchgreifen, und gefährlich für die Maasai, weil ihnen Land und Lebensgrundlage entzogen werden.

Metekai Makko ist im Dorf Ololosokwan aufgewachsen, als es kaum Touristen gab und die traditionellen Weidemechanismen noch intakt waren. Seine Barthaare sind schon grau, auf dem Kopf trägt er ein Basecap, an den Füßen Sandalen aus Autoreifen. Die Hügel, die hinter seinem Haus am Horizont zu sehen sind, waren früher das Weideland für seine Kühe. Seit 2022 gehören sie zum Pololeti Game Reserve, wo Touristen jagen können. Kühe, Schafe und Ziegen sind dort verboten. „Ohne Land gibt es kein Leben“, sagt der alte Mann. Weil Weidegrund fehle, habe er viele seiner Tiere verloren. „Alles, was wir wollen, ist unser Land zurück.“

Seit den 1990er Jahren hatte das an Serengeti angrenzende Land zwei Funktionen: Es war zugleich Weideland der Maasai und Jagdgebiet, das an die Firma OBC aus den Vereinigten Arabischen Emiraten verpachtet war. Als immer mehr Maasai anfingen, dort auch Ackerbau zu betreiben und Maasai aus Kenia wegen der Dürre mit ihren Tieren nach Tansania zogen, beschwerte sich OBC bei der tansanischen Regierung und wollte die Pacht nicht mehr zahlen. Mehrmals wurden Maasai-Familien in der Gegend gewaltsam vertrieben, zuletzt 2022.

In dem Jahr wurden von den 400.000 Quadratkilometern, auf denen Vieh weiden konnte, 150.000 zum Pololeti Game Reserve deklariert. Heute erinnern nur noch Flecken von dunkelgrünem Gras daran, wo die Parkwächter die Bomas der Maasai, ihre Dörfer aus Lehmhäusern, niedergebrannt haben. „2022 war wie Krieg“, sagt Makko Osapuk. Der Mann Anfang 30 mit dem traditionellen, rotkarierten Tuch um die Schultern ist ebenfalls hier aufgewachsen.

Seitdem hat sich die Lage etwas beruhigt. Doch immer wieder kommt es zu Konflikten. Zum Beispiel, wenn Ranger Kühe, die in Pololeti weiden, konfiszieren und behaupten, sie im Serengeti-Nationalpark aufgegriffen zu haben, wofür die Strafen deutlich höher liegen. Derzeit beschäftigt die Justiz ein solcher Fall, bei dem Parkwächter mehr als 800 beschlagnahmte Kühe versteigert haben. Die Maasai-Gemeinschaft, der die Kühe gehörten, hat bereits in mehreren Instanzen gewonnen. Entschädigt wurde sie trotzdem bisher nicht.

In dieser Gemengelage kommt auch Deutschland eine wichtige Rolle zu. Mit laufenden Projekten von mehr als 120 Millionen US-Dollar will die deutsche Regierung Tansania beim sozialverträglichen Natur- und Artenschutz unterstützen. Das meiste Geld fließt über die Frankfurter Zoologische Gesellschaft in staatliche Projekte vor Ort, beispielsweise in die Ausstattung der Ranger. Das wird von Aktivisten aus der Region stark kritisiert.

Doch auch die Infrastruktur vor Ort soll mit deutschem Geld verbessert werden. Denn wenn die Grundbedürfnisse nicht gedeckt seien, gebe es weniger Unterstützung für den Naturschutz, sagte der Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium, Jochen Flasbarth, bei einem Besuch im Januar. Im Nachbardorf von Ololosokwan weihte er drei neue Klassenzimmer für die Grundschule ein. „Wir wissen, dass man Umweltschutz am Ende nicht gegen den Willen der Menschen betreiben kann.“ Es sei wichtig, dass alle Akteure in Entscheidungen eingebunden werden.

Das geschieht nach Einschätzung von Makko Osapuk zu wenig. Die Maasai waren ursprünglich nomadische Viehhirten. Ihre Lebensweise hat sich aber verändert. Inzwischen geht die Mehrheit der Kinder zur Schule, anders als in Osapuks Kindheit. Osapuk selbst arbeitet Teile des Jahres in der Stadt Arusha, während seine Frau mit den Kindern in Ololosokwan lebt. Dennoch ist er mit der Region fest verwurzelt. „Wir wollen hier eine Zukunft haben und von der Regierung ernst genommen werden.“