Demokratisierung in Syrien? Auf jeden Fall – aber dafür braucht es Zeit, mahnt Nahost-Experte Volker Perthes. Er blickt optimistisch auf die neuen Machthaber, sieht aber auch deutlich kritische Punkte.
Für Neuwahlen in Syrien braucht es aus Sicht des Nahost-Experte Volker Perthes noch mehr Zeit. “Schnelle Wahlen sind in solchen Übergangsprozessen nie gut”, sagte Perthes im Interview dem “Stern” (Freitag online). Ohne ausreichende Vorbereitung könne es zu einer “Fortsetzung des Bürgerkriegs an den Urnen” kommen, das habe sich in anderen Ländern bereits gezeigt. “Man braucht einen Zensus, man braucht ein Parteiengesetz, man braucht die politische Atmosphäre und Stabilität. Ansonsten wird es schwierig”, betonte der frühere UN-Sonderbeauftragte für den Sudan.
Die Übergangsregierung in Damaskus hat Neuwahlen in vier Jahren in Aussicht gestellt. Ob das der richtige Zeitrahmen sei, “darüber kann man sicher diskutieren”, so Perthes.
Grundsätzlich sei er derzeit aber optimistisch, dass es trotz des islamistischen Hintergrunds der machthabenden HTS-Milizen zu einem demokratischen Prozess kommen könne. Diese hätten in der Zeit, in der sie während des Kriegs faktisch die Provinz Idlib regiert haben, “offensichtlich dazu gelernt”, erklärte Perthes. “Sie mussten dort mit Opposition umgehen, mit politischem Widerspruch, auch mit internationalen Organisationen. Sie haben in einem relativ pluralistischen Umfeld gearbeitet. Und sie haben das recht gut gemacht.”