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Nachruf auf Gerd Poppe: Prägende Persönlichkeit der DDR-Opposition

Gerd Poppe war ein standhafter Demokrat und erster Beauftragter für die Menschenrechtspolitik der Bundesregierung. Mit 84 Jahren ist er gestorben. Ein Nachruf von Katrin Göring-Eckardt.

Gerd Poppe, hier im Juni 2009, ist verstorben
Gerd Poppe, hier im Juni 2009, ist verstorbenImago / Christian Thiel

Gerd Poppe war ein kluger, unbeirrbarer und immer freundlicher Kämpfer für die Freiheit. Am 29. März ist er gestorben. Mit ihm verliert unser Land eine wichtige Stimme für Gerechtigkeit und universelle Menschenrechte. „Popoff“, wie viele ihn nannten, war bis zum Schluss ein standhafter Demokrat.

Gerd Poppe war eine der prägendsten Persönlichkeiten der Opposition gegen die SED-Diktatur. Im Gegensatz zu vielen anderen Oppositionellen wirkte er fast ausschließlich außerhalb der Kirchen, die für viele von uns ein wenig mehr Sicherheit gaben. Er gründete mit Anderen die Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM) und setzte sich früh und entschlossen für die universellen Menschenrechte ein. Ein Leitmotiv seines ganzen Lebens.

Gerd Poppe: Im vereinten Deutschland kämpfte er weiter

Als Vertreter der IFM saß er am Zentralen Runden Tisch. Dort begann sein Kampf für eine Verfassung, die die Erfahrungen mit der zweiten deutschen Diktatur einbezog. Er kämpfte ihn auch im vereinten Deutschland weiter. Es bleibt ein Verlust, dass es im Zuge der Wiedervereinigung nicht zu einer gesamtdeutschen Verfassungsreform gekommen ist.

Katrin Göring-Eckardt
Katrin Göring-EckardtImago / Uwe Meinhold

1990 sicherte er gemeinsam mit sieben weiteren ostdeutschen Abgeordneten eine bündnisgrüne Stimme im ersten gesamtdeutschen Bundestag. Dass die Partei ihren pazifistischen Kurs mit dem Prinzip der Verantwortung weiterentwickelte, ist maßgeblich ihrem außenpolitischen Sprecher Gerd Poppe zu verdanken. Gemeinsam mit anderen plädierten wir 1992 gegenüber der Friedensbewegung dafür, das Prinzip der Gewaltfreiheit um ein Prinzip der Einmischung zu ergänzen, weil Frieden ohne Menschenrechte kein Frieden ist. Aktuell gilt das besonders im Blick auf die Ukraine. Darin waren wir uns bis zuletzt einig, und es bleibt mehr als bedauerlich, dass die Ampelregierung in vielem zu wenig und zu spät gehandelt hat, weil Olaf Scholz bremste.

Zutiefst dankbar bin ich Gerd Poppe für seine Unterstützung beim Zusammenschluss von Bündnis 90 und den Grünen 1993. Hier begegneten sich Ost und West auf Augenhöhe und schufen gemeinsam Neues.

Gerd Poppe verlor Osteuropa nicht aus dem Blick

Wo Osteuropa nach 1990 bei vielen wieder vom Radar verschwand, da blieb Gerd Poppe aufmerksam: Mehrfach kritisierte er die Gewalt gegen Zivilisten nach dem Tschetschenienkrieg oder setzte sich für die belarussische Demokratiebewegung ein.

Nach seiner Zeit als Abgeordneter war er Mitgründer und langjähriger Vorstand der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Er wurde der erste Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte und humanitäre Hilfe und führte seine Projekte in Osteuropa und der ganzen Welt fort.

Poppoff war ein Freund, ein Vorkämpfer und – ohne ihn vereinnahmen zu wollen – ein treuer Arbeiter im Garten des Herrn. Eine profilierte ostdeutsche Stimme in unserer Partei ist nun verstummt. Ich bin dankbar für seinen unermüdlichen Kampf für Freiheit, sein unverdrossenes Festhalten an der Idee einer gemeinsamen Verfassung, seine Unterstützung beim Zusammenschluss von Bündnis 90/Die Grünen und seine Arbeit für die Menschenrechte weltweit. Ich verneige mich vor einem großen Europäer.

Katrin Göring-Eckardt ist Politikerin von Bündnis 90/Die Grünen und seit 1998 Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 2005 bis 2013 sowie von 2021 bis 2025 war sie dessen Vizepräsidentin. Bis 2013 war sie Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Mitglied im Rat der EKD. Zudem gehört sie dem Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages an.