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Nachlass von Nietzsche wartet auf Aufnahme ins Weltdokumentenerbe

Die Unesco-Kommission in Paris entscheidet voraussichtlich kommende Woche über die Aufnahme des Nachlasses von Friedrich Nietzsche (1844-1900) in das Weltdokumentenerbe. Der Prozess sei vor Jahren vom ehemaligen Leiter des Goethe- und Schiller-Archivs, Bernhard Fischer, angestoßen worden, sagte Helmut Heit von der Klassik Stiftung Weimar dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Bewerbung sei ein binationales Projekt. Das Erbe im Eigentum der Klassik Stiftung Weimar umfasst die Manuskripte des Philosophen, seine Korrespondenz und seine 1.400-bändige Privatbibliothek. Teile des Nachlasses befinden sich zudem in der Universitätsbibliothek und im Staatsarchiv Basel sowie bei der schweizerischen Stiftung Nietzsche-Haus in Sils Maria.

„Das Einzigartige an seinem Nachlass ist seine Rezeptionsgeschichte“, sagte Heit, der in der Stiftung dem Stabsreferat Forschung und dem Kolleg Friedrich Nietzsche vorsteht. Mit Nietzsches Werk beschäftigen sich Kulturschaffende seit Beginn des 20. Jahrhunderts in der gesamten Welt. Vor dem Ersten Weltkrieg habe die Avantgarde den Autor für sich entdeckt. Nach 1914 wurde sein Werk unter anderem von nationalistischen Kreisen um dessen Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche (1846-1935) vereinnahmt und bis heute immer wieder neu rezipiert.

Als einen Grund für die verschiedenen Sichtweisen auf den Autor und sein Werk sieht der Experte den Umstand, dass Friedrich Nietzsche aus der Mitte seines Schaffens herausgerissen wurde. 1889 brach der damals 44-Jährige in Turin zusammen und verlor die Kontrolle über seine geistigen Fähigkeiten. „Ohne den Zusammenbruch hätte Nietzsche seinen Nachlass ordnen können, hätte vielleicht Manuskripte vernichtet und seinem Werk eine klarere Richtung gegeben“, vermutet Heit.

Die bis heute anhaltende weltweite Rezeption seines Werkes in Wissenschaft, Kunst und Alltagskultur unterscheidet Nietzsches Nachlass nach Auffassung von Heit von anderen bedeutenden Beständen der Klassik Stiftung Weimar. Ins Dokumentenerbe aufgenommen ist aus den Beständen der Klassik Stiftung Weimar bislang nur der Nachlass Johann Wolfgang von Goethes (1749-1832) sowie zwei Texte Martin Luthers (1483-1546).

Eine mögliche Aufnahme des Nachlasses ins Weltdokumentenerbe verpflichte die Klassik Stiftung umso mehr, das Erbe zu bewahren, zu pflegen und zu erschließen, sagte Heit. Eine positive Entscheidung in Paris unterstreiche aber auch die international herausragende Bedeutung dieser Dokumente.