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Nach Angriff auf Giffey: Politik und Kirchen wollen mehr Schutz

Es ist der jüngste Fall in einer Serie von Angriffen auf Politiker und Wahlhelfer: Berlins Senatorin Giffey wurde attackiert. Politik und Kirchen sind entsetzt. Minister wollen härtere Strafen für Täter.

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hat den Angriff auf Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) scharf verurteilt. “Wer Politikerinnen und Politiker angreift, greift unsere Demokratie an”, teilte Wegner über die Plattform X am Mittwoch mit. “Das werden wir nicht hinnehmen”. Der Senat werde über härtere Strafen beraten.

Giffey war laut Polizei am Dienstagnachmittag in einer Bibliothek unvermittelt von einem Mann von hinten mit einem Beutel, gefüllt mit hartem Inhalt, attackiert und am Kopf sowie am Nacken getroffen worden. Dabei sei sie leicht verletzt und ambulant im Krankenhaus behandelt worden. Der Staatsschutz nahm Ermittlungen auf. Sie selbst meldete sich am Mittwoch über Instagram: Nach dem ersten Schreck könne sie sagen, dass es ihr gut gehe. Sie setze “unbeirrt” ihre Arbeit fort. Auch am Wochenende hatte es Angriffe auf Politiker gegeben.

Die Berliner Bischöfe verurteilten den Angriff ebenfalls. Er sei feige und hinterhältig und durch nichts zu rechtfertigen, sagte der katholische Erzbischof Heiner Koch auf Anfrage. “Wahlkampf muss mit Worten und Argumenten geführt werden. Für Gewalt und Hass gibt es keinen Platz.

Als “absolut unerträglich” bezeichnete der evangelische Bischof Christian Stäblein den Angriff: “Ich bin geschockt über die Gewalt. Wir müssen leidenschaftlich für unsere Demokratie eintreten. Und die Menschen schützen, die Verantwortung übernehmen.” Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch erklärte, es müsse denjenigen der Rücken gestärkt werden, die sich für eine offene, tolerante und teilhabeorientierte Gesellschaft einsetzten. Er appellierte an den Bundestag, das von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Demokratiefördergesetz zu beschließen.

Wegen der jüngsten Angriffe auf Politiker und Wahlhelfer hatten sich die Innenminister von Bund und Ländern am Dienstag zu einer Sondersitzung getroffen. Sie plädierten für härtere Strafen für Täter. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte, sie werde zügig mit Justizminister Marco Buschmann (FDP) über eine mögliche Strafverschärfung beraten. “Wir brauchen ein deutliches Stoppsignal und eine Rückkehr zu einer Kultur des Respekts”, so Faeser. Zudem seien schnelle Verfahren der Justiz notwendig.

Unterdessen erklärte der Historiker Heinrich August Winkler, dass trotz eskalierender Gewalt keine Weimarer Verhältnisse drohten. Die Staatskrise der ersten deutschen Demokratie sei mit der schwersten Wirtschaftskrise des 20. Jahrhunderts zusammengefallen, sagte Winkler der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Nationalsozialisten und Kommunisten hätten 1932 mehr als 50 Prozent der Stimmen erhalten, und die junge Republik sei in die Situation eines Staatsnotstands geraten. Von solchen Verhältnissen sei Deutschland heute weit entfernt.

Es gebe kein soziales Massenelend wie in den frühen 1930er Jahren, und die Bundesrepublik sei nicht in einer Depression, so der Historiker. “Die Bundesrepublik hat aus den Fehlern von Weimar gelernt. Das Bonner Grundgesetz, das vor 75 Jahren in Kraft trat, hat eine wehrhafte Demokratie geschaffen, die dem Staat die Mittel zur Verfügung stellt, die er braucht, um die Feinde der freiheitlichen Ordnung in die Schranken zu weisen.”