15 Jahre lebte er bei einem indigenen Volk in Paraguay, ehe er ein Buch über seine Erlebnisse schrieb. Nun ist Stan Gold zurück in seiner Heimatstadt Münster und wird von einem ominösen “Pablo” bedroht.
“Ein genialer Rechtsmediziner und ein begriffsstutziger Kommissar lösen Mordfälle?! Das allein wäre ja schon eine Bank! Also, wenn Sie die bizarren und die skurrilen alle aufschreiben und ich die verkaufe – dann wird das nicht nur ein Bestseller! Das wird als internationale High-End-Serie adaptiert und ein highly emotional True-Crime-Rollercoaster, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat!” So spricht Literaturagentin Sabina Kupfer gegenüber Professor Boerne, der sich diese Worte natürlich gerne gefallen lässt. Ebenso wie das alte Schlachtschiff “Tatort”, das sich hier mit schöner Nonchalance durch den Kakao ziehen lässt.
Der “Tatort: Der Mann, der in den Dschungel fiel”, den die ARD am Sonntag, den 10. Dezember von 20.15 bis 21.45 Uhr ausstrahlt, ist ein herrlicher Vertreter seiner Zunft geworden. Die Qualität wechselt ja – speziell bei den Münsteraner Krimibeauftragten – gerne zwischen brillant und seichtem Blödsinn hin und her. Wobei es in den vergangenen Jahren eine deutliche Tendenz hin zu Ersterem gab. Nicht unwesentlichen Anteil daran hat Drehbuchautor Thorsten Wettcke: Er dachte sich sowohl die Zeitreise “Lakritz” als auch den rätselhaften Fall “Des Teufels langer Atem” aus. Auch für das wunderbar spritzige Buch zum aktuellen Münster-“Tatort” zeichnet er verantwortlich; Regisseur Till Franzen wiederum setzte das Ganze mit Präzision und Liebe zum Detail in Szene.
Im Zentrum der Story steht der Bestsellerautor Stan Gold (Detlev Buck). Mit seinem autobiografischen Werk “Der Mann, der in den Dschungel fiel”, in dem er einen Flugzeugabsturz über dem paraguayischen Regenwald und einen 15 Jahre andauernden Aufenthalt bei einem indigenen Volk verarbeitete, hatte er zuvor einen Hit gelandet. Und weil Professor Boerne (Jan Josef Liefers) die entsprechende Trophäe spendete, sind Thiel (Axel Prahl), Silke “Alberich” Haller (ChrisTine Urspruch) und er zugegen, als Gold nach der feierlichen “Stadtschreiber”-Verleihung einen allergischen Schock erleidet: ein Bienenstich, der den Literaten fast das Leben kostet. Da die Umstände dubios sind, steht Gold fortan unter Polizeischutz.
Bald darauf geraten er und Thiel unter Beschuss, woraufhin der offensichtlich von einem südamerikanischen Guerillero verfolgte Autor in ein “Safe House” gebracht werden soll. Mangels Alternativen wählt man dafür das Refugium jener Literatur-Agentur, in das sich Boerne kurz zuvor zum Verfassen seiner Memoiren zurückgezogen hatte. Es ist ein Glanzstück an komischem wie filmischem Erzählen, wie der nichtsahnende Boerne beseelt um die “Inspirationsbank” scharwenzelt, auf der angeblich schon Annette Droste-Hülshoff “Die Judenbuche” schrieb. Und wie sich zugleich im Hintergrund des Bildes das voll besetzte Taxi von Thiels “Vaddern” nähert – und damit der jähe Einfall des Banalen in die hehre Welt der Muse …
Und das ist nur eine von vielen wunderbaren Szenen und Sequenzen, die vor Wortwitz, Detailfreude und perfekt in Szene gesetzten Pointen nur so sprühen. Das sich ewig kabbelnde Duo Boerne und Prahl ist in Höchstform, aber auch das weitere Figuren- wie Schauspielerensemble ist phänomenal: Allen voran Detlev Buck als Stan Gold; toll ist aber auch Eva Verena Müller als überkandidelt-unglückliche Sabina.
Buck gibt den vermeintlich unverhofft zu Ruhm gekommenen Autor als staunenden großen Jungen, als naiven Träumer. Dass sich hinter der harmlosen Fassade noch eine weitere Ebene versteckt, schält sich für Ermittler wie auch das Fernsehpublikum erst nach und nach heraus. Einzig “Alberich” hat von Anfang an den besseren Riecher …