Schnell ein Foto vom Leberfleck gemacht, von der App analysieren lassen, fertig. So schnell kann ein erster Hautkrebs-Check mit Smartphone und Künstlicher Intelligenz (KI) ablaufen. Bei vielen Krankenkassen in Europa oder den USA gehören solche Apps inzwischen zum Angebot. Doch in der Technik steckt noch mehr Potenzial – vor allem für Regionen, in denen faktisch keine ärztliche Versorgung existiert. Die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe DAHW testet gerade, wie man mit solchen Apps Lepra erkennen kann.
„Im Prinzip funktioniert die App zur Lepra-Erkennung ganz ähnlich wie die Hautkrebs-Apps“, sagt die DAHW-Forschungskoordinatorin Christa Kasang. Und dann ist es aber doch wieder komplizierter – wie so oft, wenn es um vernachlässigte Tropenkrankheiten geht. Denn weder für Pharmakonzerne noch andere Unternehmen ist es lukrativ, Produkte und Technik zur Bekämpfung solcher Krankheiten zu entwickeln. Denn dort, wo sie heute noch verbreitet sind, ist nur begrenzt Geld im Gesundheitssystem vorhanden und somit wenig zu verdienen.
„Die Hautkrebs-Apps funktionieren in der Regel nur auf weißer Haut gut“, sagt Kasang. Und sie sind in der Regel auch nicht auf Tropenkrankheiten programmiert. Die US-Firma Belle.ai, die sich auf die Herstellung von KI-Software spezialisiert hat, hat nun genau das gemacht – und die DAHW testet die App derzeit in einem Projekt im westafrikanischen Senegal. In der Erprobungsphase soll die Qualität der KI-Analysen genauso ein Thema sein wie die Akzeptanz einer Smartphone-App-Diagnose in der dortigen Bevölkerung, sagt Kasang.
Konkret läuft das Lepra-Screening per App so ab: In den Gesundheitszentren der DAHW-Partner gibt es zwar in der Regel medizinisch geschultes Personal, aber meist keine Lepra-Experten oder Dermatologinnen. „Die App von Belle.ai soll nicht von den Betroffenen selbst verwendet werden, sondern vom Personal als technisches Hilfsmittel“, erläutert Kasang. Im ersten Schritt analysiert die KI die fotografierte Hautstelle. Stuft die App die Stelle als verdächtig ein, übernimmt ein menschlicher Experte per Telemedizin dann die weitere Diagnose.
In eineinhalb Jahren soll die Erprobungsphase abgeschlossen sein und valide Daten vorliegen. „Wir glauben, dass diese Technik ein großer Schritt in eine Lepra-freie Welt sein kann“, sagt Kasang. Denn neben der jeweils konkreten Diagnose sammelt die App zum Beispiel auch Geodaten. So können mögliche Infektions-Hotspots erkannt werden, die man bislang nicht entdeckt habe, weil es zu wenig konkrete Daten gab. Zudem eigne sie sich auch gut für großangelegte Haut-Screenings beispielsweise in Schulen oder abgelegeneren Regionen.
Die DAHW lobt das philanthropische Engagement des US-Softwareunternehmens, ohne das die Erprobung nicht möglich gewesen wäre. Auch bei einer App der Weltgesundheitsorganisation WHO zur Erkennung von Hautkrankheiten hat Belle.ai schon KI-Module beigesteuert. „Wir halten es für ein Gebot der Fairness, dass diese neue Technik nicht nur den wohlhabenden Industrieländern vorbehalten bleibt, sondern von Anfang an eben auch im Bereich der vernachlässigten Tropenkrankheiten getestet und ‘angelernt’ wird“, sagt Kasang.
Oder, wie es der Geschäftsführer von Belle.ai, Ly Tyran, formuliert: „KI und digitale Innovation helfen dabei, den Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung für die am stärksten unterversorgten Gemeinschaften zu verbessern.“ Die DAHW plant weitere Testphasen in anderen afrikanischen Ländern, etwa Äthiopien. Dafür sei man aktuell noch auf der Suche nach finanzkräftigen Projektpartnern. (00/0248/23.01.2024)